Der Vertrag über den Gastransit durch die Ukraine in die EU läuft Ende 2024 aus. Die Folgen für die Wirtschaft der EU werden jedoch weder in der FDP, noch in den Medien thematisiert. Warum nicht?
Frau Jurisch,
Der Vertrag über den Gastransit durch die Ukraine in die EU läuft Ende 2024 aus. Die Folgen für die Wirtschaft der EU werden weder in den Medien, noch in der FDP thematisiert.
1. Warum nicht ?
2.Hat eine weitere Verringerung der Importe von russischem Pipelinegas, als Folge der Abschaltung der ukrainischen Pipeline, für die EU-Länder schwerwiegende Folgen? Stimmt es, dass Österreich derzeit von russischen Gas abhängig ist, das durch die ukrainische Pipeline kommt?
Falls ja, durch wen und wie soll Österreich dann ab 2025 geschützt werde?
3. Eines der wichtigsten Argumente der Gegner von Nord Stream 2 war, dass die Ukraine ihre Einnahmen aus dem Gastransit verlieren könnte, weil Russland den ukrainischen Transit über die neue Pipeline Nord Stream 2 umgehen könnte. War das nur Populismus? Bitte klare Antwort: WER ersetzt dann der Ukraine die demnächst tatsächlich fehlenden Transiteinnahmen ab 2025 ????
4.Zu wessen Lasten kompensiert die EU 2025 dann das fehlende Gas?
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Sehr geehrter Herr M.,
als souveräner Nationalstaat liegt es einzig und allein in der Hand der Ukraine, über Gaslieferungen aus Russland durch ihr Territorium zu entscheiden. In Folge des grausamen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich die ukrainische Regierung dazu entschlossen, den Ende 2024 auslaufenden Vertrag über Gastransit mit dem russischen Staatskonzern Gazprom nicht zu verlängern, um jenen Krieg gegen sich nicht weiter mitzufinanzieren. Diese Entscheidung respektieren und unterstützen wir ausdrücklich.
Zurecht weisen Sie jedoch darauf hin, dass das Auslaufen des ukrainischen Gastransitvertrags mit dem russischen Staatskonzern Gazprom Ende 2024 Auswirkungen auf den europäischen Gasmarkt haben kann. Allerdings werden sich diese aller Voraussicht nach in überschaubarem Maß halten, da die durch die Ukraine transportierte Menge an Gas zwischen 2019 und 2023 bereits von 90 Milliarden Kubikmetern auf unter 15 Milliarden Kubikmeter gesunken ist. Das entspricht weniger als vier Prozent der gesamte EU-Gasnachfrage. Mittlerweile beziehen die Mitgliedstaaten der EU ca. 30% der Gaslieferungen aus Norwegen, weitere ca. 20% aus den Vereinigten Staaten. Diese Diversifizierung war auch dank des Einsatzes der Freien Demokraten für den schnellen Bau von LNG-Terminals möglich. Ein Ende des russischen Gastransits durch die Ukraine in die Europäische Union hat somit für die europäische Wirtschaft im Ganzen überschaubare Folgen und kann durch verstärkte Diversifizierung vollständig abgefedert werden.
Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union ist für seine Energieversorgung selbstständig verantwortlich, so auch Österreich. Im europäischen Energiebinnenmarkt können sinkende Liefermengen in einzelne Staaten jedoch gut kompensiert werden. Daher geht die Internationale Energieagentur in keinem EU-Mitgliedstaat von einer akuten Gasmangellage aus.
Mit Blick auf die ukrainischen Einnahmen aus dem Gastransit hat die damalige Bundesregierung mit tatkräftiger Unterstützung von Finanzminister Christian Lindner erreicht, dass die Ukraine einen Kredit über 50 Milliarden US-Dollar erhält, der sich aus den Zinsen eingefrorener russischer Vermögensgüter speist. Zudem befindet sich die Europäische Kommission derzeit in Verhandlungen bezüglich Alternativen für die Nutzung der ukrainischen Pipelineinfrastruktur. Unter anderem sind Gaslieferungen aus Aserbaidschan im Gespräch.
Mit freundlichen Grüßen
Ann-Veruschka Jurisch