Frage an Anjes Tjarks von Barbara U. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Dr. Tjarks
Ich beziehe mich auf den Mopo-Artikel (https://www.mopo.de/hamburg/ticket-plan-fuer-schueler-spd-vorstoss-sorgt-fuer-unmut---koalitionspartner-schiesst-quer-33057672) und hätte gern gewusst, woher Ihre Befürchtungen kommen, dass die Schüler mehr mit dem Bus fahren würden.
Haben alle Kinder von ALG II Bezieher ein Fahrrad?
Haben Sie bedacht, wie hoch die Zeitersparnis in Schulen und Freizeiteinrichtungen sein wird, wenn kein Geld für Unternehmungen eingesammelt werden müssen?
Bedürftige Eltern müssten auch nicht auf Notlügen zurückgreifen, weil ihnen das Fahrgeld für ihre Kinder fehlt.
Die ohnehin überlasteten Gerichte müssten sich auch nicht mehr mit Straffällen wegen „Erschleichen einer Beförderung“ verhandelt und Jugendliche könnten sich auch von Helikopter-Eltern abnabeln.
Liebe Frau U.,
zunächst einmal: Ich finde Vorschläge endlich die HVV Tarifpolitik zu überdenken nicht unsympathisch und auch wir werden dafür ein eigenes Konzept vorlegen, das Familien stärker entlasten wird, die Vekehrswende intelligent fördert und gleichzeitig soziale Aspekte angemessen berücksichtigt.
Zu Ihrer Frage konkret: Wir beziehen uns auf die Daten der Studie Mobilität in Deutschland/Hamburg, die die repräsentative Verkehrsuntersuchung ist, die in Deutschland alle 10 Jahre mit mehreren 100.000senden Teilnehmerin durchgeführt wird. Die Daten stammen aus 2017. Sie finden eine Zusammenfassung für Hamburg unter folgendem Link: https://www.hamburg.de/contentblob/11914848/66802cb6f20f2b2e9d84c3da37054f5f/data/mid-2017-–-kurzreport-hamburg-und-metropolregion.pdf
Auf Seite 19 finden Sie den Modal Split aufgeteilt nach Altersgruppen. Dort können Sie sehen, dass gerade in der Gruppe der 11-17 Jährigen der Anteil der Radfahrenden mit Abstand der höchste aller Altersgruppen ist. Das ist auch logisch, weil die Kinder mit 11 Jahren auf die weiterführende Schule wechseln und sich gleichzeitig ihre eigene Fähigkeit selbstständig mit dem Rad/Bus unterwegs zu sein, deutlich erhöht. Wenn Sie jetzt in genau der Altersgruppe Busse und Bahnen umsonst machen, würde das eben auch bedeuten, dass die Kinder die vorher am meisten mit dem Fahrrad gefahren sind, in den Bus steigen. Das kann man machen, aber ich hoffe, dass Sie so nachvollziehen können, was ich meine, wenn ich sage, dass dies die Verkehrswende nicht optimal fördert. Ziel muss es ja sein, dass weniger Auto gefahren wird.
Gleichzeitig fördert der Vorschlag eben alle Familien gleichermaßen. Ich bin der Meinung, dass man aber bspw. Familien im Leistungsbezug stärker als gegenwärtig fördern muss. Das löst der Vorschlag auch nicht. Ein Ticket Hamburg AB kostet 89,50 Euro, der Sozialrabatt der Stadt ist 21,80 Euro. Als Leistungsbezieher bekommen sie ca. 30 Euro Mobilitätspauschale. Gleichzeitig sind Menschen im Leistungsbezug viel häufiger auf den ÖPNV angewiesen (vgl. Tabelle Seite 19 oben), weil sie sich ein Auto gar nicht leisten können. Dieses wird unser Vorschlag berücksichtigen.
Und schließlich zu der Leistungserschleichung: Ich wäre in der Tat dafür, dies grundsätzlich auf eine Ordnungswidrigkeit herunterzustufen, um unsere Gerichte davon zu entlasten. Dies scheitert aber regelmäßig an den anderen Parteien.
Mit besten Grüßen aus Altona
Anjes Tjarks
Sehr geehrte Frau U.,
prinzipiell halte ich den Vorschlag für ein kostenloses Schülerticket für sympathisch. Als GRÜNE legen wir aber Wert darauf, Preisermäßigungen nicht mit dem Gießkannensystem vorzunehmen, sondern diejenigen zu entlasten, die den größten Bedarf haben. Deshalb sollte bei Tarifüberlegungen das Familieneinkommen maßgebend sein. Wir arbeiten derzeit an einem Konzept, dessen zentrale Zielsetzung die Senkung der Mobilitätskosten für alle Familien ist. Gleichzeitig wollen wir mit einer Tarifreform auch verstärkte Anreize zum Umstieg vom privaten Pkw auf den ÖPNV setzen.
Voraussichtlich im Herbst werden wir dieses Konzept der Öffentlichkeit vorstellen. Ich hoffe, Sie können sich bis dahin gedulden.
Mit freundlichen Grüßen
Anjes Tjarks