Frage an Anjes Tjarks von Nicolai J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ich bin selber Grüner, daher frage ich mich, warum der rot-grüne Senat beim G20-Gipfel auf eine Polizeistrategie gesetzt hat, die von vornherein auf Eskalation ausgelegt war und von einem höchst umstrittenen Einsatzleiter geleitet wurde, der damals noch von Schill ernannt wurde. Sogar jetzt im Nachhinein ist keine Kritik dazu von Ihnen zu vernehmen. Es scheint, dass bei den Grünen insgesamt eine riesige Angst herrscht, irgendwas falsches zu äußern.
Lieber Nicolai,
vielen Dank für Deine Nachfrage. Leider komme ich erst heute zu einer Antwort, weil in den letzten Tagen die Aufarbeitung aller Vorfälle rund um den G20 voll angelaufen ist.
Du nimmst auf die Strategie der Polizei während des G20-Einsatzes Bezug. Wie Du Dir denken kannst, gibt es sehr unterschiedliche Darstellungen und Berichte über die Demonstrationen, die gewalttätige Randale an unterschiedlichen Orten und über das Vorgehen der Polizei vor und während der Gipfeltage.
In der Sitzung des Innenausschusses vergangene Woche hat die Innenbehörde die Gelegenheit genutzt, ihre Sicht der Dinge ausführlich darzustellen. Daraus ist deutlich geworden, wie unterschiedlich die Ereignisse von den Beteiligten eingeschätzt werden und wie groß der weitere Aufklärungsbedarf ist.
Nach der parlamentarischen Sommerpause wird deshalb auf Initiative von SPD und Grünen ein Sonderausschuss der Bürgerschaft zu den „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“ seine Arbeit aufnehmen. Dort sollen alle umstrittenen Fragen auf den Tisch.
Dabei werden wir auch die Einsatztaktiken der Polizei und ihre Folgen hinterfragen. Darüber hinaus geht es um Tat- und Täterstrukturen und um die Sicherheitsstrategie.
Olaf Scholz hat sich zur Debatte um Polizeigewalt noch vor der Sitzung des Innenausschusses geäußert. Die Äußerung, „es habe keine Polizeigewalt gegeben“, haben wir GRÜNE - auch öffentlich - zurückgewiesen. Zwar hat der Bürgermeister seine Äußerung im Nachhinein noch einmal relativiert und präzisiert. Für uns ist jedoch klar: Die Frage der Schuld wird in einem Rechtsstaat am Ende eines Verfahrens bewertet, nicht am Anfang. Es laufen derzeit 49 rechtsstaatliche Verfahren gegen Polizeibeamtinnen und –beamte. Wir werden die Ergebnisse dieser Verfahren jedenfalls abwarten, bevor wir uns ein Urteil erlauben. Die einzelnen Situationen werden auch Thema im Sonderausschuss sein. Wir nehmen dabei die Vielzahl an Rückmeldungen zu polizeilichen Übergriffen, die uns abseits der Ermittlungsverfahren erreicht haben sehr ernst.
Vor uns als Bürgerschaft liegt nun die Aufgabe, schnellstmöglich die Geschehnisse umfassend aufzuarbeiten – nicht nur, um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, was schief gelaufen ist, sondern vor allem auch, um daraus die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen. Der Sonderausschuss ist das zentrale Werkzeug der Aufarbeitung für uns. Er wird Ende August seine Arbeit aufnehmen.
Freundliche Grüße
Anjes Tjarks