Frage an Anjes Tjarks von Sybille N. bezüglich Verkehr
Förderung des Radverkehrs
Die von nahezu allen Parteien propagierte Absicht, unterschiedlichste Verbesserungen für Radfahrer/innen umzusetzen, sogar mit dem Anspruch, Hamburg nach dem Vorbild Kopenhagens zur fahrradfreundlichsten Stadt auszubauen, stehen im vergangenen Jahr 13 tödlich verunglückte Radfahrer/innen gegenüber. Tatsache ist, dass das Radfahren in Hamburg lebensgefährlich ist. Da mutet es geradezu lächerlich an, mit dem Vorbild Kopenhagens zu werben. Im Gegensatz zu Hamburg, wo der Mitteleinsatz für den Radverkehr bei unter 2% des Verkehrsbudgets liegt, investiert Kopenhagen jährlich 10 Mio. Euro in Erhalt und Verbesserung des Radwegenetzes (und die sind schon ganz vorne!). Einige Veränderungen wurden tatsächlich in Hamburg vorgenommen, wie z.B. die Führung/Kennzeichnung für Radfahrer auf der Straße ca. 100 Meter vor dem Eingang des Lessingtunnels sowie die Kreuzung Stresemannstraße/Kieler Straße. Allerdings, wie letzteres Beispiel zeigt, keinesfalls zum Besseren sondern mit tödlichen Konsequenzen kürzlich für einen Radfahrer. Da stellt sich die Frage, wer sich solche Konzepte ausdenkt bzw. durch wen sich die zuständigen Behörden beraten lassen. Durch Verkehrsplaner nach dem Vorbild Kopenhagens mit Sicherheit nicht.
Als überwiegend radfahrende Verkehrsteilnehmerin möchte ich wissen:
Welche KONKRETEN Maßnahmen zur Entwicklung des Radverkehrs sollen vorrangig in welchem Zeitrahmen umgesetzt werden?
Wie viele Mittel sollen jährlich in den Ausbau des Radverkehrs gesteckt werden? Wie hoch ist der Verkehrsetat insgesamt?
Welche Organisationen werden beratend bzw. durch Gutachten bei der Planung und Umsetzung einbezogen? z.B. der ADFC ?
Sehr geehrte Frau Neuwirth,
besten Dank für Ihre Anfrage zu dem Thema Radverkehr, das uns Grünen besonders am Herzen liegt. Immer mehr Menschen wie Sie und ich steigen in Hamburg auf das Rad als Hauptverkehrsmittel um. Dies geschieht nicht, weil die Lage für Radfahrerinnen und Radfahrer besser geworden wäre, sondern obwohl sie sich nicht verbessert hat. Wir wollen den Anteil des Radverkehrs bis 2025 auf 25 % steigern. Das wollen wir erreichen, indem wir den bisher sehr langsamen Ausbau der Velorouten beschleunigen. Neben Ausbau und Sanierung vorhandener Strecken wollen wir das Netz weiter entwickeln. Dazu gehört, dass Radfahrende auf Velorouten Vorfahrt vor den Autos bekommen und mehr Fahrradstraßen ausgewiesen werden. Wir möchten, dass die Bezirke flächendeckende Radverkehrsnetze entwickeln und umsetzen, wobei auch die Velorouten angepasst und ausgebaut werden sollen. Zudem streben wir den Bau eines Netzes von Radschnellwegen an. Dort kann auf langer Strecke möglichst ohne Stopps, Beeinträchtigungen und Störungen von anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern Rad gefahren werden. Auch wenn es sich oft nicht so anfühlt: Radfahrerinnen und Radfahrer sind auf der Fahrbahn meist am sichersten. Mit Radfahr- oder Schutzstreifen und Piktogrammen machen wir darauf aufmerksam und erreichen so mehr Sicherheit und Verständnis unter den Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern. Das von der SPD gestoppte Radfahr-/Schutzstreifenprogramm von 2010 wollen wir zügig umsetzen. So schaffen wir kurzfristig glatte, schnell befahrbare und verkehrssichere Angebote für den Radverkehr: mindestens je 50 km in den ersten drei Jahren. Wir wollen die Radwegebenutzungspflicht stark einschränken. Angeordnet werden soll sie nur noch an Straßen, auf denen sie aus Sicherheitsgründen unbedingt erforderlich ist, es keine gefährlichen Einmündungen gibt und die Radwege eine hinreichende Breite haben. Neben dem Radschnellnetz und den Velorouten setzen wir uns dafür ein, dass die Behörden in Abstimmung mit den Verbänden ein Minimalnetz von baulichen Radwegen (unabhängig von der Benutzungspflicht) definieren, das kontinuierlich erhalten und gepflegt wird. Dieses Radwegenetz soll auf den bundesweit geltenden Standard gebracht werden. Auch die Kreuzungen wollen wir fahrradfreundlich umbauen, mehr Platz schaffen und Ampelschaltungen an die Bedürfnisse der Radfahrenden (d.h. je nach Verkehrssituation mal eigene Fahrrad-Ampeln oder der Verzicht auf dieselben und eine Mitnutzung normaler langer Ampelphasen des Kfz-Verkehrs) und Fußgängerinnen und Fußgängern anpassen. Auf wichtigen Verbindungen soll eine grüne Welle geschaltet werden, um die Durchschnittsgeschwindigkeit des Radverkehrs deutlich zu erhöhen. Völlig zu Recht fragen Sie nach der Finanzierung. Obwohl der Radverkehrsanteil heute ca. 12 Prozent beträgt, also jeder achte Weg in Hamburg mit dem Fahrrad zurückgelegt wird, gibt die Stadt bisher nicht einmal 2 Prozent seiner Verkehrsausgaben für den Fahrradverkehr aus. So gelingt es nicht, die Infrastruktur zu entwickeln, die mehr Menschen fürs Radfahren begeistert und sicheres Radfahren ermöglicht. Wir nehmen uns an Kopenhagen ein Beispiel und werden im Haushalt die Höhe des Radverkehrsbudgets am Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr orientieren. Damit möchten wir die genannten Vorhaben und genügend Stellen in der Verwaltung finanzieren, die Hamburg in kurzer Zeit spürbar fahrradfreundlicher machen sollen. Aktuell liegt der Verkehrsetat bei rund 488 Millionen Euro Betriebsmittel, 137 Millionen Euro Investitionen. Bei Infrastrukturmaßnahmen gibt es eine vielschichtige Gemengelagen, viele Interessen und viele Interessensgruppen, je nachdem wo und was geplant wird. Bei Radverkehrsbelangen ist der ADFC sicher einer der wichtigsten und kompetentesten Akteure, der in Planungen und Diskussionen nicht nur im Mobilitätsbeirat einbezogen werden sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Anjes Tjarks