Wie ist das von der FDP proklamierte Ziel, den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsmix auf 15 % zu steigern, mit den geplanten Kürzungen und Streichungen von Fördergeldern im Radverkehr zu vereinbaren?
Der Anteil von Elektroautos liegt in Deutschland bei rund 1,3 % und ist somit im Kontext des Gesamtverkehrsaufkommens noch unbedeutend. ¾ aller Neuzulassungen sind keine E-Autos. Unterm Strich hat ein E-Auto in der Produktion einen größeren ökologischen Rucksack als ein vergleichbarer Verbrenner und muss einige Tausend Kilometer mit möglichst CO₂-armem Strom zurücklegen, bevor es eine deutlich bessere Klimabilanz vorweisen kann. Auf die Zukunft gesehen mag dies eintreffen. Um der Rüge des Bundesverfassungsgerichtes und der EU zu CO₂-Einsparungen im Verkehrssektor zu entsprechen, sind jedoch kurzfristigere Lösungen erforderlich. Mehr Straßen zu bauen, führt laut Untersuchungen (Gilles Duranton, Matthew Turner und andere) zu mehr Verkehr und noch mehr Staus. Zum Erreichen der Klimaziele muss der Straßenverkehr reduziert und nicht nur die Antriebsart gewechselt werden. Bitte erklären Sie mir in diesem Kontext die geplanten Mittelkürzungen und Streichungen von Fördergeldern im Radverkehr.
Sehr geehrter Herr G,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Tatsächlich bezieht sich das von Ihnen angeführte 15 %-Ziel auf eine Landesinitiative zur Steigerung des Radverkehrs in Rheinland-Pfalz. Es stammt aus der Zeit, in der Volker Wissing noch als Landesverkehrsminister agierte.
Auf Bundesebene hat die Ampel im Koalitionsvertrag festgehalten, dass der Ausbau und die Modernisierung des Radwegenetzes vorangetrieben und kommunale Radverkehrsinfrastruktur weiter gefördert werden sollen. Wichtig ist hier meines Erachtens nicht der einmalige Mittelzufluss, sondern eine über die Jahre hinweg gesicherte Finanzierung aus dem Haushalt. Und diesen wichtigen Punkt – die Verstetigung der Fördermittel für den Radverkehr – konnte Minister Wissing im Haushalt 2023 sehr wohl verankern. So haben Länder und Kommunen mit dem Finanzhilfe-Programm „Stadt und Land“ nun bis 2028 die Planungs- und Finanzierungsperspektive, die sie für ihre Radverkehrsinfrastrukturprojekte vor Ort benötigen. Auch die Mittel für den Ausbau und die Erweiterung des "Radnetzes Deutschland“ wurden bis 2028 verstetigt.
Doch letztlich bildet der Radverkehr nur einen Teil unseres bestehenden Verkehrssystems ab, das wir nach wie vor ganzheitlich betrachten müssen. Und hier gehen die Zahlen des Bundesamtes für Güterverkehr für die kommenden zwei Jahre nun mal von einer Zunahme des Transportaufkommens auf Straße und Schiene aus. Ohne die entsprechende Infrastruktur wird es demnach zu Engpässen und Knappheiten kommen, womit wir den Bedürfnissen von Gesellschaft und Wirtschaft keinesfalls gerecht werden. Daher werben wir Freien Demokraten für eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur, technologische Innovationen und einen funktionierenden Emissionshandel.
Gerade die zum Wochenende (17./18.12.) beschlossene Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Verkehr wird künftig dazu beitragen, dass sich umwelt- und klimafreundliche Antriebsarten gegenüber emissionsstarken Produkten durchsetzen – ganz ohne pauschale Einschränkungen. Damit schaffen wir wichtige Investitions- und notwendige Klimaschutzanreize – EU-weit.
Mein Kollege Johannes Vogel hat sich letztens passend zum Thema geäußert. Mit Blick auf die notwendige Mobilitätswende kann unsere liberale Antwort nur sein: „Ja zum Fortschritt, ja zur Vielfalt und natürlich ja zur Klimaneutralität. Aber nein zu identitätspolitischen Duellen, etwa zwischen Auto- und Fahrradfahrern.“
Mit freundlichen Grüßen
Anja Schulz