Wie stehen sie zu einer Erneuerung des SGB VIII, insbesondere zur Regelung von Betreuung und Unterhalt für gemeinsame Kinder nach Trennung der Eltern?
Sind Sie für die Einführung des paritätischen Betreuungsmodell nach Trennung der Eltern und wie garantieren Sie, dass dies nicht mit einem noch größeren Armutsrisiko für die Kinder einhergeht, weil sich kaum jemand dieses Modell leisten kann, obwohl es für die Kinder das Beste ist und für den Staat wahnsinnig viel Gerichtskosten sparen würde?

Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Frage. Wir befürworten klar eine Kindschaftsrechtsreform, also eine Reform des Sorge- und Umgangsrechts, des Abstammungsrecht sowie des Unterhaltsrechts. Beim in der Frage unten ebenfalls angesprochenen Unterhaltsrechtsrecht ist es zentral, die Situation von Alleinerziehenden (wie z.B. Brüche in der Erwerbsbiographie) angemessen zu berücksichtigen. Unsere grüne Forderung haben wir in unserem Wahlprogramm erneuert: „Wächst ein Kind in einer Trennungsfamilie bei beiden Elternteilen auf, wollen wir den sogenannten Umgangsmehrbedarf im Steuer- und Sozialrecht berücksichtigen. Eine Festlegung auf ein Betreuungsmodell nach Trennung der Eltern als Regelfall lehnen wir ab. Vielmehr muss dieses dem Einzelfall angemessen und am Kindeswohl orientiert sein.“
Wir setzen uns dafür ein, dass nach einer Trennung beide Eltern weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihr Kind tragen. Das ist oft eine komplexe Aufgabe und bedarf einer Lösung für jeden Einzelfall. Bei hohem Konfliktniveau kann das Wechselmodell für Kinder oft sehr belastend sein. Deshalb sind wir überzeugt, dass es Einzelfallentscheidungen und keine starren gesetzlichen Lösungen braucht. Wir wollen beide Eltern dabei unterstützen, trotz der Trennung gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Uns ist wichtig, gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung zu verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt zu stellen.
Die partnerschaftliche Betreuung der Kinder wollen wir auch nach einer Trennung weiter fördern. Nach einer Trennung soll es für getrennt erziehende Eltern bei der Betreuung nicht zusätzlich knirschen. Ausgangspunkt und Richtschnur für unsere Reformvorhaben ist das Kindeswohl im Einzelfall. Wir haben uns für Regelungen eingesetzt, die die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigen. Auch wollen wir im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden. Änderungen im Unterhaltsrecht sollen ausgleichend und keinesfalls konfliktverschärfend wirken. Uns ist wichtig, dass Entlastungen des einen Elternteils nicht zu Belastungen für den anderen Elternteil führen. Dabei geht es uns darum, dass gesetzliche Änderungen das Einvernehmen der Eltern in Hinblick auf die Belange des Kindes fördern und unterstützen. Denn wir wissen, dass die streitigen Auseinandersetzungen der Eltern Kinder belasten. Dennoch sollte eine partnerschaftliche Aufteilung der Betreuung nach der Trennung möglich sein. Dafür setzen wir uns ein.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Liebert