Frage an Angelika Krüger-Leißner von Fabian G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Angelika Krüger-Leißner,
ich habe in der Juliausgabe der Zeitung promedia ein Interview mit ihnen gelesen, in dem sie fordern den Schutz des geistigen Eigentums im Internet nach französichen Vorbild zu gewährleisten.
"In Deutschland ist manches schwieriger als in anderen Ländern. Wir haben starke Grundrechte in unserem Grundgesetz verankert, aber die hindern uns manchmal einfache, klare Lösungen zu finden. Als ich gehört habe, wie die Franzosen das Problem der Piraterie lösen wollen, habe ich mich gefragt, warum wir das nicht hinbekommen."
Verstehe ich sie richtig, dass sie gerne die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG für die Artikel 1-20 aufweichen würden? Zu diesem Schluss komme ich, da sie indirekt einen Weg fordern Grundrechte zu übergehen um "einfachere" Lösungen zu finden.
Wenn dem so ist, würde ich von ihnen gerne wissen, wie entschieden wird, ob ein Hinweggehen über ein Grundrecht im Einzellfall das geringere Übel darstellt. Wie wird gewährleistet, dass diese Möglichkeit in der Zukunft nicht von Regierungen missbraucht wird? Die Idee unserer Verfassungsväter war ja eigentlich eine Etablierung eines Unrechtsregimes auf rechtsstaatlichem Wege, wie sie durch die NSDAP betrieben wurde, ex ante unmöglich zu machen. Wie wird zwischen "guter Grundrechtsverletzung" und "böser Grundrechtsverletzung" unterschieden und wer garantiert, dass bei dieser Abwägung die Grundrechte nicht kpmplett unter die Räder kommen??
Wie stellen sie es sich vor die verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Probleme, die das französiche Gesetz mit sich bringt zu lösen? Ich zumindest sehe keinen Weg für dieses Gesetz in einem Rechtsstaat! (Verstoß gegen Unschuldsvermutung [Art.6 Abs.2 Menschenrechtskonvention], Kommunikationsfreiheit sowie gegen die informationelle Selbstbestimmung [jeweils Art.5 Abs.1 GG])
Vielen Dank, dass sie sich bisher die Zeit genommen haben, um die Fragen ihrer Wähler ausführlich zu beantworten!
Mit freundlichen Grüßen
Fabian Grießer
Sehr geehrter Herr Grießer,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zu meinem Interview mit der Fachzeitschrift "Promedia". Das gibt mir die Gelegenheit, Missverständnisse auszuräumen und klarzustellen, worum es mir geht.
Die Missachtung von geistigem Eigentum im Internet ist zu einem gravierenden Problem geworden. Das massenhafte illegale Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Werken entzieht nicht nur der Musik- und Filmwirtschaft zunehmend den Boden. Alarmierend ist für mich vor allem, dass die Urheber für die illegale Online-Nutzung ihrer Werke keine Vergütung bekommen. Ursache hierfür ist vor allem die bei den Internetnutzern vorherrschende Gratismentalität, die jedes Unrechtbewusstsein verdrängt. Selbstkritisch will ich hier anmerken, dass es auch ein Versäumnis der Politik war, nicht frühzeitig dagegen vorgegangen zu sein.
Ich bin entschlossen, die Verstöße im Internet gegen das geistige Eigentum nicht hinzunehmen. Deshalb ist es mein Ansatz, lösungsorientiert nach praktikablen Wegen zu suchen und dabei bestimmte Möglichkeiten nicht von vornherein ohne Prüfung auszuschließen. Dazu gehört es auch, auf Erfahrungen anderer Länder zurückzugreifen, zum Beispiel auf das französische Modell.
Wenn Sie mein Interview aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, dass ich in aller Deutlichkeit auf die verfassungsrechtlichen Probleme hingewiesen habe, die es übrigens bis heute verhindern, dass das entsprechende Gesetz in Frankreich in Kraft getreten ist. Darüber hinaus habe ich die Vorbehalte des europäischen Parlaments angesprochen. Und ich habe deutlich gemacht, dass unsere verfassungsrechtliche Praxis in Deutschland noch einmal besondere Anforderungen an ein solches Modell stellt.
Es versteht sich für mich von selbst, dass es keine Lösung geben kann, die Grundrechte in Frage stellt. Im Interview habe ich ausdrücklich betont, dass wir einen Ausgleich brauchen zwischen den Interessen der Rechteinhaber und denen der Nutzer. Auch für mich ist ein Einschreiten gegen wiederholte illegale Downloads an klare Voraussetzungen gebunden. Tangierte Grundrechte (z.B. auf Zugang zu Informationen) und rechtsstaatliche Grundsätze wie Verhältnismäßigkeit oder Richtervorbehalt dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Aber genauso klar muss sein, dass derjenige, der nachweislich und vorsätzlich gegen Grundrechte von anderen verstößt - in diesem Fall das Grundrecht auf den Schutz von Eigentum -, mit empfindlichen Sanktionen rechnen muss.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Krüger-Leißner