Frage an Angelika Krüger-Leißner von Thomas V. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Krüger-Leißner,
im Bundestag stehen demnächst die Beratungen zur Gesetzesinitiative der Bundesregierung zum Sperren kinderpornographischer Webseiten an. Wie bewerten Sie den Gesetzesentwurf hinsichtlich der Einschränkunden der Grundrechte, insbesondere mit dem Zensurverbot aus Art. 5 GG (Rezipientenfreiheit), Art. 10 GG (Fernmeldegeheimnis) und Art. 20 GG (Gewaltenteilung, aber auch Art. 19 Abs. 4 Rechtswegegarantie)?
Laut Entwurf erstellt das BKA die Liste und bewertet/kontrolliert gleichzeitig die Einträge. Da die Liste aus offensichtlichen Gründen geheim gehalten wird, entfällt damit jede Form von Kontrolle. Warum ist kein Richtervorbehalt oder zumindest eine parlamentarische Kontrolle vorgesehen?
Der Regierungsentwurf stellt sich gleichsam selbst ein Armutszeugnis aus und kommentiert, dass "die Vorschrift auf eine Handlungspflicht ausgerichtet ist, nicht auf einen Erfolg". Damit sollen nun die notwendingen Einschänkungen der Grundrechte hinsichtlich ihrer Eignung und Erforderlichkeit begründet werden?
Mit freundlichen Grüssen
Thomas Vogt
Sehr geehrter Herr Vogt,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Ich bin überzeugt, wir alle wollen einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan ein umfassendes Konzept mit konkreten zusätzlichen Maßnahmen vorgelegt. Wichtig war uns bei einem Maßnahmenpaket vor allem, die Hemmschwelle, sich über das Internet Zugang zu kinderpornographischen Material zu verschaffen und die in den letzten Jahren dramatisch gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen.
Sie führen in Ihrem Schreiben Bedenken bzgl. einer hinreichenden rechtsstaatlichen Kontrolle im Bezug auf das BKA auf und verweisen auf die Einschränkung der Grundfreiheiten von Bürgerinnen und Bürgern.
Wir haben als SPD dieses Problem sehr ernst genommen und hier erfolgreich entsprechende Änderungen des Gesetzentwurfes in harten Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner durchgesetzt.
Wir haben außerdem wesentlichen Kritikpunkte, die sich aus der Bundestagsanhörung und der Stellungnahme des Bundesrates ergeben haben, positiv aufgegriffen.
Der endgültige Beschluss hat insbesondere folgende Änderungen gebracht.
1. "Löschen vor Sperren":
Die Regelung kodifiziert den Grundsatz "Löschen vor Sperren". Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.
2. Kontrolle der BKA-Liste:
Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragraphen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt.
3. Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
4. Spezialgesetzliche Regelung:
Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll. Der Änderungsantrag geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.
5. Befristung:
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.
Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen behilflich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Angelika Krueger-Leißner