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Angelika Glöckner
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Frage von Dietmar H. •

Sind Sie für oder gegen eine Wiedereinsetzung der Atomkraft in Deutschland?

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Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihr Schreiben in dem Sie sich auf die Wiedereinführung der Atomkraft in Deutschland beziehen. 

Die Debatte über die Rolle der Atomkraft hat angesichts der angespannten Energieversorgungslage infolge des Angriffs Putins auf die die Ukraine wieder an Fahrt aufgenommen. Viele Bürgerinnen und Bürger und auch die Industrie sorgten sich um die Versorgungssicherheit in Deutschland. Es gehört zu einer verantwortungsvollen Politik gerade in Krisenzeiten alle Optionen zu prüfen. Nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente halte ich es für richtig, von einer Wiederinbetriebnahme deutscher Atomkraftwerke abzusehen. Die Gründe hierfür möchte ich Ihnen gerne genauer darlegen. 

Die Endlagerfrage hochradioaktiver Abfälle ist nach wie vor nicht beantwortet. In Deutschland wurden zwar bereits Rechtsgrundlagen für ein Endlager geschaffen und ein Endlagersuchverfahren begonnen. Dieses befindet sich allerdings noch in einem frühen Stadium. Mit der Inbetriebnahme eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle ist erst frühestens Mitte des Jahrhunderts zu rechnen. Durch einen Weiterbetrieb mit neuen Brennstäben fallen weitere hochradioaktive Abfälle an, die ebenfalls sicher gelagert werden müssen.

Atomkraftwerke sind fehleranfällig und nicht dürreresistent. Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass Atomkraftwerke keinesfalls Versorgungssicherheit garantieren. Die Hälfte der 56 Atomkraftwerke stand im Sommer 2022 nicht zur Verfügung. Grund: Korrosionen und Rissbildung in den Reaktoren sowie Kühlwassermangel wegen Trockenheit. AKWs sind auf eine niedrige Flusstemperatur und einen Mindestpegelstand angewiesen, was bereits in früheren Jahren zum Ausfall von AKWs geführt hat.

Zudem ist die Erzeugung von Atomstrom keineswegs emissionsfrei. Bei der Gewinnung, dem Transport und der Aufbereitung von Uran entstehen Emissionen. Auch beim langen und aufwändigen Bau sowie dem Rückbau der Atomkraftwerke wird CO₂ freigesetzt. Nicht zuletzt erzeugt die komplexe Einlagerung des Atommülls Emissionen. Darüber hinaus ergänzen sich erneuerbare Energien und Atomenergie nicht, da Atomkraftwerke ungeeignet sind, flexibel Lastspitzen auszugleichen. 

Wir brauchen den systematischen Umstieg auf erneuerbare Energien. Der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken würde den Ausbau der erneuerbaren Energien hemmen. In Stunden hoher Einspeisung müssten die erneuerbaren abgeregelt werden.

Die Wiederinbetriebnahme ist außerdem zeitlich und finanziell aufwendig. Grundsätzlich sind nach internationalen Sicherheitsstandards für AKW alle zehn Jahre vertiefte Sicherheitsprüfungen (PSÜ) erforderlich. Bei einem Weiterbetrieb wäre eine PSÜ zwingend erforderlich. Erstens um Sicherheit zu gewährleisten und zweitens, um ein schwerwiegendes Signal in Richtung anderer EU-Mitgliedsstaaten zu vermeiden, die sodann ebenfalls auf Prüfungen verzichten könnten. PSÜ sind ein mehrjähriger Prozess, der in der Folge erhebliche Investitionsbedarfe in die Sicherheitstechnik nach sich zieht.

Für einen generellen Weiterbetrieb der AKW bedürfte es auch neuer Brennstäbe. Derzeit gibt es hierzu keine Lieferverträge mehr. Uran kommt in der EU dabei zu einem wesentlichen Teil aus Russland/Kasachstan beziehungsweise wird in Russland aufbereitet. Aber: Wir wollen gerade Abhängigkeiten von Russland reduzieren.

Einem etwaigen Nutzen längerer AKW-Laufzeiten stehen damit sehr hohe gesamt-gesellschaftlich zu tragende Kosten und erhebliche Risiken gegenüber. Hinzu kommen Hemmnisse in Bezug auf die Ziele der Energiewende: Je länger an Atomenergie festgehalten wird, desto langsamer funktioniert eine systemische Umstellung auf erneuerbare Energien.

Für mich als Abgeordnete der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie für meine Kolleginnen und Kollegen ist damit klar: Wir halten am beschlossenen Atomausstieg fest und setzen auf den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Mit freundlichen Grüßen

Angelika Glöckner, MdB

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