Frage an Angelika Glöckner von Volker U. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Glöckner,
dem Beitrag "Geringverdiener zahlen überpropotional viel Geld in Sozialkassen" auf Zeit-online vom 29.6.2021 war zu entnehmen, daß Geringverdiener bis 30.000 Euro Einkommen 36% der Sozialabgaben bezahlen, während ausgerechnet Spitzenverdiener mit über 110.000 Euro Einkommen lediglich 9% der Sozialabgaben bezahlen. Dies geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage der Linken hervor. Wie begründen Sie diese relative Ungerechtigkeit und warum hat das seit 1998 (mit Ausnahme einer Legislatur) sich stets in sozialdemokratischer Hand befindliche Arbeitsministerium, hier bisher keine Korrekturen vorgenommen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Ultes
Sehr geehrter Herr Ultes,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Sie beziehen sich mit Ihrer Frage auf die Sozialbeiträge die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Versicherungssysteme wie die Krankenversicherung oder die Rentenversicherung entrichten. Diesen beiden Versicherungen stehen zwei unterschiedliche Prinzipien gegenüber.
Die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert nach dem Äquivalenzprinzip. Danach stehen höheren Beiträgen entsprechend höhere Leistungen gegenüber. Renten in der Höhe zu begrenzen – trotz höher gezahlter Beiträge – würde mit eben diesem Prinzip brechen und dem verfassungsmäßigen Gleichbehandlungsgrundsatz zuwider laufen.
Letztlich wären dann niedrigere Beiträge mehr wert als höhere. Die Beitragsbemessungsgrenze stellt sicher, dass sich zum einen auch Besserverdienende am Rentensystem beteiligen müssen und im Alter eine gesetzliche Mindestversorgung sichergestellt ist. Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze würde danach zu höheren Einzahlungsverpflichtungen führen und entsprechend dem Äquivalenzprinzip auch wieder zu höheren Auszahlungen. Die geringeren Einkommen würden davon nicht profitieren. Im sogenannten Schweizer System gibt es diese Grundsätze nicht – es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze und dennoch werden die Renten in der Höhe begrenzt.
Wichtig erscheint allerdings, dass der Kreis der gesetzlich Pflichtversicherten deutlich angehoben wird. Deshalb will die SPD im Falle eines Wahlsieges darauf hinwirken, dass auch Abgeordnete, Beamtinnen und Beamte, Selbständige und Minijobber aufgenommen werden.
In der Krankenversicherung gelten andere Grundsätze. Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine solidarische Versicherung, die den Versicherten trotz unterschiedlicher Beitragsleistung die gleichen Versicherungsleistungen im Krankheitsfall sichert. Jedoch ist in diesem Fall durch eine Beitragsbemessungsgrenze die Angemessenheit der Beiträge gegenüber den Leistungen zu wahren.
Beitragsbemessungsgrenzen werden nicht willkürlich gewählt, sondern in komplizierten Verfahren ermittelt und gesetzlich festgelegt. Durch die paritätische Finanzierung der Beiträge (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) werden bei der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen auch immer die Arbeitgeber mit den Lohnnebenkosten mit belastet. Auch hier ist somit die Wirkung zu berücksichtigen und die gesellschaftliche Akzeptanz höherer Grenzen abzuwägen.
Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion müssen guten Renten auch gute Löhne gegenüberstehen. Ordentliche Löhne sind für uns als SPD elementar für auskömmliche Renten, die nicht nur auf das Ziel der Armutsvermeidung reduziert sind.
Zusätzlich ist auch eine stärkere gesellschaftliche Beteiligung sehr hoher Einkommen und Vermögen aus unserer Sicht sowohl wünschenswert als auch notwendig. Allerdings wollen wir eine solche Beteiligung nicht über die Sozialversicherung, sondern über das Steuersystem durchsetzen.
Genau das haben wir durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für 90 Prozent der Bevölkerung getan und das wollen wir durch die Einführung z.B. der Vermögenssteuer weiterführen oder indem wir Steuervermeidung entgegenwirken, wie es ganz aktuell der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit der Einführung einer Mindestbesteuerung für global agierende Riesenkonzerne vorangebracht hat.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Erläuterungen weiterhelfen und wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Glöckner