Portrait von Anette Kramme
Anette Kramme
SPD
100 %
15 / 15 Fragen beantwortet
Frage von Benjamin R. •

Frage an Anette Kramme von Benjamin R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kramme,

die Vorratsdatenspeicherung sowie der sogenannte "Bundestrojaner" macht mir persönlich eine Menge Sorgen. Als gelernter Fachinformatiker habe ich entsprechendes Hintergrundwissen und frage mich, ob die nun zusätzliche Speicherung der Funkzelle aller Handynutzer sowie der erweiterten Speicherfrist auf sechs Monate wirklich einen so erheblichen Sicherheitsvorteil bringt, der solch eine aufwendige Maßnahme rechtfertigen würde. Die Geschichte hat gezeigt das kriminelle Energien sich durch keine Regeln und Gesetze aufhalten lassen. Aber nun möchte ich Ihnen konkrete Fragen stellen:

1. Wer kann uns garantieren, dass die zu erfassende Datenmenge der Vorratsdatenspeicherung nicht immer wieder erhöht wird und bald auch der Inhalt des Gesprächs (z.B. durch Einsatz von Filtern, die nur Gespräche von vermeintlich terroristischem Inhalt mitschneiden) mitgespeichert wird oder die Daten gar öfter und auch für andere Zwecke eingesetz werden? Immerhin sind es ja "Vorratsdaten". Desweiteren wurde auch bei Abhöraktionen von Telefongesprächen versichert, es handle sich nur um eine selten eingesetze Maßnahme. Dabei wurden allein 2005 über 40.000 Mobiltelefonanschlüsse abgehört, Tendenz steigend (Lt. Bundesnetzagentur: http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/5815.pdf)

2. Wie können Sie uns Bürgern plausibel garantieren, dass der Staat über genügend Fachwissen und Ressourcen verfügt um die Sicherheit all unserer Daten zu gewährleisten? Immerhin liegen die Daten ja bei Privatfirmen, die gesetzlich verpflichtet sind, sich um deren Speicherung zu kümmern. Außerdem gab es ja in letzter Zeit immer wieder bemerkenswerte Fälle wie den Verlust von Unmengen an sensiblen Daten von Privatpersonen in Großbritannien. Das ist insofern bedenklich, weil die Sicherheitsmaßnahmen wie Videokameras etc. aus Großbritannien immer wieder als Vorbild genommen werden. Ich bedanke mich im Voraus für die Beantwortung meiner Fragen.

Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Reichstein

Portrait von Anette Kramme
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reichstein,

Herzlichen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie Bedenken bezüglich der Einschränkung von Bürgerrechten und Datenschutz äußern.

Für uns Sozialdemokraten haben Bürgerrechte und innere Sicherheit die gleiche Priorität. Jede Forderung nach restriktiveren Gesetzen muss deshalb nicht nur dahingehend geprüft werden, ob sie tatsächlich zur Steigerung der Sicherheit beiträgt. Sie muss vor allem konform sein mit den Grundwerten unserer Verfassung.

Entsprechend wurde das Gesetz zur Novelle der Telekommunikationsüberwachung auch lang und ausführlich in unserer Fraktion diskutiert. Meine differenzierte Meinung zur sog. Vorratsdatenspeicherung habe ich in diesem Forum mehrmals dargelegt und möchte Sie herzlich bitten, bei Interesse diese Beiträge vor allem aus dem November nachzulesen.

Die von Ihnen angesprochene Gefahr durch "Datenklau" halte auch ich für heikel. Dies gilt nicht nur für die verpflichtend zu speichernden Vorratsdaten bei Telekommunikations-unternehmen. Wie Sie selbst bemerken, sind auch von Krankenkassen oder Unternehmen erhobene Daten betroffen. Menschliches Fehlverhalten – ob aus Leichtsinn oder Unvermögen – ist leider nie auszuschließen. Deshalb ist es im Umkehrschluss nötig, den Ermittlungsbehörden entsprechende Kompetenzen und Ressourcen zur Abwehr von Straftaten im Zusammenhang mit Informationstechnologien zuzusprechen. Beim Einsatz sog. „Bundestrojaner“ sehe ich aber noch erheblichen Diskussionsbedarf. Weder scheint mir im Moment sicher, dass dies ein taugliches Mittel ist im Kampf gegen Terrorismus, noch ist klar, ob überhaupt die technischen Möglichkeiten bestehen. Drittens halte ich es für klärungsbedürftig, ob ein derart tiefgehender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sich noch im Rahmen des Grundgesetzes bewegt. Nur wenn diese drei Fragen positiv beschieden werden können, ist eine solche Online-Durchsuchung denkbar. Persönlich zweifele ich jedoch daran.

Mit freundlichen Grüßen,

Anette Kramme

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Anette Kramme
Anette Kramme
SPD