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Anette Kramme
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Frage von Sandra E. •

Frage an Anette Kramme von Sandra E. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Kramme,

auf Ihrer Webseite kann man lesen, das Sie den Mindestlohn im Bereich der Briefzustellung als großen Erfolg feiern. Halten Sie das deutsche Tarifrecht und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen für ein geeignetes Mittel um Mindestlöhne in Deutschland festzuschreiben?

Gerade die Postgeschichte zeigt doch, dass hier nicht die Interessen der Mitarbeiter im Vordergrund standen, sondern die der Post AG. Oder halten Sie es nicht für bedenklich, dass die Post den jetzt für PIN und Co. geltenden Tarifvertrag als treibende Kraft im Arbeitgeberverband durchgesetzt hat, obwohl die Post AG diesem Tarifvertrag selber nicht unterliegt! Das kann und darf doch wohl nicht sein!

Wie wollen Sie gegen solche Mißstände vorgehen?

Mit freundlichen Gruß
Sandra Erdwein

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Erdwein,

für Ihre Anfrage danke ich Ihnen. In der Tat sehe ich die Aufnahme der Briefdienste in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz als großen Erfolg an. Das Briefmonopol ist zum 31.12.2007 gefallen. Seit diesem Zeitpunkt dürfen also sowohl die inländischen als auch die ausländischen Post-Konkurrenten den sog. Standardbrief zu den Post-Bedingungen austragen. Die SPD hat sich für den Wettbewerb auf dem Postmarkt ausgesprochen. Wettbewerb braucht unseres Erachtens jedoch klare Regeln. Konkurrenzfähigkeit durch Lohn- und Sozialdumping lehnen wir entschieden ab. Ohne die Aufnahme der Briefdienste in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz wäre jedoch genau dies eingetreten.

Die öffentliche Anhörung zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz hatte die Notwendigkeit unterstrichen, dass rechtzeitig zum 01.01.2008 angemessene Mindestlöhne für Zusteller gelten müssen. Die Sachverständigen haben insbesondere die prekären Beschäftigungsbedingungen bei den neuen Lizenznehmern hervorgehoben. So seien mit über 60 Prozent deutlich mehr als die Hälfte der Beschäftigten bei den Wettbewerbern der Deutschen Post geringfügig beschäftigt und die Stundenlöhne äußerst niedrig. Die Entgelte liegen um 30 bis 40 Prozent unter denen der Deutschen Post.

Bei den häufig gezahlten "Armutslöhnen", die die Briefdienstleistenden erhalten, bedarf es in großem Umfang staatlicher Sozialleistungen, um existenzsichernde Monatseinkommen zu gewährleisten. Eine derartige Entwicklung war auf Dauer nicht hinzunehmen.

Der zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste, der insgesamt 20 Mitglieder vertritt (darunter die Deutsche Post AG) und der Gewerkschaft ver.di ausgehandelte Mindestlohntarifvertrag hat selbstverständlich auch Gültigkeit für die Deutsche Post AG. Allerdings liegen dort die Löhne deutlich über den ausgehandelten Mindestlohnebenen. Diese höheren Entgeltansprüche bleiben daher vom Mindestlohntarifvertrag unberührt. Einen Missstand kann ich hier nicht erkennen.

Die Aufnahme von Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist nur ein Mittel, um gegen Armutslöhne, also gegen Löhne, die weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohnes betragen, vorzugehen. Wir verzeichnen jedoch eine stetig abnehmende Tarifbindung. Laut IAB-Panel sank die Tarifbindung der Beschäftigten im Zeitraum bis 2006 im Westen von 76 auf 57 Prozent und im Osten von 63 auf 41 Prozent. Es ist nicht mehr ausreichend, Löhne tariflich abzusichern oder einzelne Tarifverträge für allgemein verbindlich zu erklären. Hinzu kommt, dass auch die Zahl der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge deutlich zurückgegangen ist und dass es vermehrt, tariflich vereinbarte Niedriglöhne gibt.

Für Branchen, in denen es keine Tarifverträge gibt oder diese nicht greifen sowie für Branchen, in denen die Tarifentgelte das unten genannte Mindestniveau unterschreiten, muss daher ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden. Dafür hat sich die SPD klar ausgesprochen.

Mit freundlichen Grüßen

Anette Kramme

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