Frage an Anette Kramme von Georg M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Kramme,
vielen Dank für Ihre Antwort vom 04.02.2013.
Ich verstehe nicht, warum Sie meinen dem demografische Faktor mit einer neuen Einwanderungswelle begegnen zu müssen?Es kommen nicht nur Hochqualifizierte, sondern auch Unausgebildete, viele normalqualifizierte EU-Bürger und Bedürftige, und das führt zu Konkurrenz am Arbeitsmarkt und auf dem Wohnungsmarkt. Als Arbeitgeber stellt man eben lieber einen jungen, vitalen Spanier ein, als einen kranken Deutschen.
Zum anderen wird der technische Fortschritt dafür sorgen, dass weniger Menschen gebraucht werden. So wird es Tankstellen ohne KassiererInnen geben, es wird an Kassen gearbeitet, die ebenfalls KassiererInnen überflüssig machen. Ähnlich wie heute schon die meisten Banken mit einem Bruchteil ihrer früheren MitarbeiterInnen auskommen.
Würden Sie diesem Bericht der FAZ zustimmen, in dem steht, dass ( Stand 2008) 3,2 Mio. Arbeitslose nicht in der Statistik auftauchen? :
Bezüglich der Erwerbsminderungsrente hat mir die LVA mitgeteilt, dass ich nicht die nötigen Vorraussetzungen erfüllen. Angeblich muss man zuvor 5 Jahre ohne Arbeitsunterbrechung tätig gewesen sein. Ich war in den letzten Jahren aber arbeitslos.
Setzt sich die SPD dafür ein, dass in Zukunft bevorzugt Arbeitslose als Azubis eingestellt werden, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können? Hierfür könnte es Anreize für die Arbeitgeber geben.
Mir macht es Angst mit 35 Jahren ohne Perspektive zu sein. Warum bekommt man bei einer Zweitausbildung keine aufstockenden Hartz IV-Leistungen? Ich sehe nur, dass man das Amt nur Steine in den Weg legt. Seit Jahren muss ich mich vergeblich um einen Arbeitsplatz bemühen- mit jeder Absage sinkt meine Hoffnung auf Besserung. Können Sie verstehen wie die "Jubelgesänge" über den deutschen Arbeitsmarkt auf mich wirken?
Mit freundlichen Grüßen
Georg Mayer
Sehr geehrter Herr Mayer,
niemand spricht von einer „Einwanderungswelle“. Im ersten Halbjahr 2012 zog z.B. eine halbe Million Menschen nach Deutschland, größtenteils aus Spanien, Portugal und Griechenland. Natürlich sind das nicht alles Ärzte, aber ein Blick in die Jobangebote zeigt, dass auch Kranken- und Altenpfleger, Elektroinstallateure, Heizungs- und Sanitärfachkräfte etc. gesucht werden.
Sie haben natürlich Recht damit, dass immer mehr Aufgaben automatisiert werden. Es bleiben aber genügend andere, die nicht automatisiert werden können, z.B. Erziehung und Pflege. So geht z.B. die Prognos-Studie davon aus, dass es eine massive Verschiebung in der Beschäftigungsstruktur geben wird und bis 2030 die Nachfrage im Dienstleistungsbereich um 1.5 Millionen Arbeitskräfte steigen wird.
Weiterhin kann ich aus dieser Prognos-Studie zitieren:
„Die Bevölkerung in Deutschland geht zwischen 2004 und 2030 um 4 Mio. zurück. Gleichzeitig verschiebt sich der Altersaufbau zugunsten der Älteren ….Für den Arbeitsmarkt bedeutet das zum einen ein rückläufiges Angebot an Arbeitskräften, ein immer größerer Teil der Bevölkerung kommt ins Rentenalter. Zum anderen erhöht sich das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen.“
Die bessere Qualifizierung unseres eigenen Fachkräftepotentials ist deshalb unglaublich wichtig, damit unsere Wirtschaft auch künftig ‚brummt‘. Wir setzen uns als SPD deshalb ein für eine Kultur der 2. Chance, bei der Menschen, die keine abgeschlossene Berufs- oder Schulausbildung haben, intensiv gefördert werden und Zugang zum Arbeitsmarkt kriegen. Wir haben auch immer arbeitsmarktpolitische Instrumente wie den Beschäftigungszuschuss unterstützt, mit dem Arbeitgeber motiviert werden sollen, älteren Arbeitnehmern eine Chance zu geben. Ähnliche Instrumente gibt es für junge Menschen, die länger als 2 Jahre nach Ende ihrer Schullaufbahn immer noch keine Lehrstelle gefunden haben. All dies fällt unter den Begriff „aktive Arbeitsmarktpolitik“, und hier sehe ich in Deutschland enormen Nachholbedarf. Die Bundesregierung hat unter Schwarz-Gelb genau in diesem Feld Milliarden Euro eingespart - und damit aus meiner Sicht an der falschen Stelle gekürzt. Wir wollen diese Kürzungen rückgängig machen und außerdem einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor schaffen.
Auch altersgerechte Arbeitsplätze und überhaupt das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz werden immer wichtiger. Aber selbst wenn all diese Maßnahmen perfekt umgesetzt werden, werden wir dennoch ein gewisses Maß an Zuwanderung brauchen, und ich teile nicht Ihre Auffassung, dass dies per se schädlich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Anette Kramme