Frage an Anette Kramme von Michael B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kramme,
Sie werden als Mitherausgeberin der SPD-PM /1/ angegeben.
Darin ist die Aussage enthalten: "Frauen in Deutschland bekommen für die gleiche Arbeit fast ein Viertel weniger als Männer."
1. Die F in den neuen Bundesländern erhalten - im Mittel - 6% weniger als die M, also keineswegs ein Viertel weniger, da sie mehr arbeiten als im Westen /4/.
2. Bei den 23% von destatis wird die Krankenschwester mit dem Chefarzt verglichen /5/. Ihre Behauptung in /1/ ist also unwahr.
3. Die schlimmste Ungleichbezahlung für "gleiche Arbeit, bei gleicher Qualifikation" widerfährt den F, die Unterhalt beziehen!
Zu 3:
Die Ex von Bohlen bekommt mindestens 1800 EUR Unterhalt für ihr Kind (/2/, /3/).
Sie selbst muss ja nichts bezahlen, da - laut herrschender Meinung bei den Familienjuristen - sie ja eine Betreuungsleistung erbringt, in gleicher Höhe wie die Geldrente von Dieter.
Die Ex von Dieter erhält also "bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit", nämlich der Erziehung der Kinder, 900% mehr Geld als Erika Mustermann, die nur auf den Mindestunterhalt zurückgreifen kann und vielleicht sogar die bessere Qual. hat.
Daher unsere Fragen:
a) Würden Sie Ihre falsche Aussage in /1/ richtigstellen?
b) Ist Ihnen bewusst, dass eine niedrige Lohnschere auch ein niedriges Lohnniveau bedeutet? Wenn wir also 6% wie im Osten erreichen wollen, soll das heissen, dass die SPD sich die dort niedrigen Löhne in ganz DE wünscht, als ergänzende Glanzleistung zur Leiharbeit und Hartz IV?
c) Würde die SPD - "zwecks gleichem Lohn bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit" - für die Einführung des Wechselmodells bei Scheidung eintreten? Kein Unterhalt und gleiche Betreuungsarbeit des Vaters, würde der Mutter die Erstürmung der Karriereleiter ermöglichen und der SPD die Einführung der menschlichen Gesellschaft!
MfG
MB
/1/ http://tinyurl.com/buayeko
/2/ http://tinyurl.com/73cqlzn
/3/ http://tinyurl.com/cbqp6l9
/4/ http://tinyurl.com/cblcp2r
/5/ http://tinyurl.com/cbpjbp7
Sehr geehrter Herr Baleanu,
unsere Aussage in der Pressemitteilung „SPD schafft gesetzliche Grundlage für gleichen Lohn für Frauen“ vom 22. Mai ist keinesfalls falsch. Die vom Statistischen Bundesamt berechnete Zahl von 23,2 % bezieht sich, wie Sie richtig anmerken, auf das unbereinigte Gender Pay Gap. Dies ist uns bewusst. Komplett bereinigte Gehaltsunterschiede beziehen sich nur auf die sog. direkte oder unmittelbare Lohndiskriminierung von Frauen. In unserem Gesetzesentwurf geht es aber in erster Linie um die vielen anderen, zumeist versteckten Ursachen des Lohngefälles, die als mittelbare Entgeltdiskriminierung bezeichnet werden. Diese ist in der Realität viel schwerer nachzuweisen, da sie sich hinter geschlechtsneutral formulierten Regelungen und betrieblichen Umsetzungspraxen verbergen. Sie sind daher, wie es unser Gesetzentwurf vorsieht, auch nur innerbetrieblich zu lösen.
Prof. Dr. Pfarr, die maßgeblich an dem Gesetzentwurf mitgearbeitet hat, argumentiert in den WSI-Mitteilungen 5/11, "Die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer erfordert ein Durch-setzungsgesetz" ( http://www.boeckler.de/wsimit_2011_05_pfarr.pdf ), dass die Lohnlücke von 23,2% nicht nur auf unmittelbare Diskriminierung beim Entgelt zurückzuführen ist, aber in der Regel auf andere diskriminierende Faktoren. Eine Aufstellung dieser zusätzlich wirkenden diskriminierenden Faktoren finden Sie z.B. in dem Fragenkatalog zur öffentlichen Anhörung am 28. Januar 2009 vor dem Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ausgefüllt von der Sachverständigen Frau Dr. Astrid Ziegler, WSI ( http://www.streit-fem.de/media/documents/1256476887.pdf ). Wir sind überzeugt, dass der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern nicht besteht, weil Männer besser qualifiziert sind und auf Basis gleicher Chancen einfach die verantwortungsvollen - und damit berechtigterweise besser bezahlten - Arbeiten ausführen. Für uns, und dabei finden wir wissenschaftliche Unterstützung, bleibt der Gehaltsunterschied von rund einem Viertel zum großen Teil diskriminierungsbegründet.
Bezüglich Ihrer zweiten Frage: Es gibt keinen Kausalzusammenhang zwischen gleicher Bezahlung von Frauen und Männern und einem sinkenden Lohnniveau, wie Sie es suggerieren. Dass Frauen in den neuen Bundesländern fast so viel verdienen wie Männer, begründet nicht das vergleichsweise niedrige Lohnniveau in diesem Gebiet. Anders gesprochen: Nur weil es in Ostdeutschland mehr KiTa’s gibt, wird ein Ausbau der KiTa’s in Westdeutschland nicht zu schlechterer KiTa-Betreuung insgesamt führen. Der allgemeine Lohnunterschied zwischen neuen und alten Bundesländern hat verschiedene Gründe historischer, gesellschaftlicher und politischer Natur. So ist beispielsweise die Bindung von Tarifverträgen in den neuen Bundesländern weitaus geringer als im Westen des Landes. Gerade in diesen Regionen ist deshalb die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von besonderer Bedeutung, dann natürlich auch gleich hoch für Mann und Frau.
Auch bezüglich Ihrer dritten Frage ist ein Zusammenhang zwischen dem Problem der Entgeltgleichheit und dem der Unterhaltsleistungen bei Scheidung nicht nachvollziehbar. Bei der Entgeltgleichheit handelt es sich um ein arbeitsmarktpolitisches Problem. Es geht um die faire Entlohnung von Frauen und Männern. Unterhaltsleistungen nach einer Scheidung haben nichts mit dem Arbeitsmarkt zu tun (allenfalls mittelbar, wenn eine dann alleinerziehende Frau z.B. mangels geeigneter Betreuungsmöglichkeiten kaum arbeiten kann), sondern gehören dem Bereich der Familienpolitik an (worauf Sie übrigens mit dem Verweis auf Familienrechtsexperten schon selbst hindeuten). Beide Fragen müssen losgelöst voneinander betrachtet werden. Falls Sie weitergehende Fragen zum Unterhaltsrecht haben, verweise ich Sie gerne auf meine diesbezügliche Antwort an Sie in diesem Forum vom Juni 2011 oder verweise Sie auf die Familienpolitiker meiner Fraktion.
Mit freundlichen Grüßen
Anette Kramme