Frage an Anette Kramme von Wolfgang S. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Kramme,
ich hatte einen schweren Unfall und bin seitdem berufsunfähig. Meine Unfallversicherung verweigerte die Zahlung weil ich die dauerhafte Berufsunfähigkeit nicht innerhalb der Fünfzehnmonatsfrist nachweisen konnte. Mir geht es jetzt nicht um die Frist an sich, obwohl das auch nur den Versicherungen nützt. Angeblich wollen die Versicherer mit dieser Regelung die Bürokratie eindämmen. Aber zu einer Geburtstagsgratulation bleibt immer noch Gelegenheit. Für mich also ein vorgeschobenes Argument. Aber das ist ein anderes Thema.
Mir geht es darum, dass der entsprechende Passus in den allgemeinen Versicherungsbedingungen unter "Obliegenheiten der Versicherers" steht. Sinngemäß steht es so drin: Der Versicherer muß die vereinbarten Leistungen zahlen. Voraussetzung ist die fristgemäße Mitteilung der Berufsunfähigkeit durch den Versicherten.
Niemand liest die Obliegenheiten des Versicherers, wenn er nach seinen eigenen Verpflichtungten sucht. Das ist im Kern meine Kritik. Hier wird durch den falschen Ort dieser Bestimmung gegen das Gebot der Klarheit verstoßen.
Soweit ich weiß, ist das aber nach der gegenwärtigen Rechtsprechung nicht zu beanstanden, weil die Gesetze nicht mehr hergeben. Meine Fragen an Sie: Ist das wirklich so? Falls ja - sollte man das nicht ändern? Wie Sie sich vielleicht denken können, hätte mir als Selbständiger ein bisschen Geld aus meiner Versicherung, in die ich schließlich viele Jahre einbezahlt habe, gut getan.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Schröpfer
Sehr geehrter Herr Schröpfer,
bitte entschuldigen Sie die verzögerte Antwort. Da ich mich mit Versicherungsrecht bisher nur am Rande befasst habe, musste ich erst Informationen von zuständigen Fraktionskollegen einholen.
Zu Ihrem konkreten Fall kann ich mangels genauerer Infos wenig Hilfreiches sagen. Grundsätzlich ist anzumerken: Ich finde es nicht zu beanstanden, dass man den Eintritt eines Versicherungsfalles innerhalb einer gewissen Frist anzeigen muss - auch wenn 15 Monate bei solch existenziellen Fragen wie Berufsunfähigkeit vielleicht etwas kurz sind. Bei der Festsetzung einer Frist geht es nicht nur um Kalkulationen und Rückstellungen für Versicherer, sondern z.B. auch um die Möglichkeit, bei einem Streit über Beweisfragen einen Gutachter zu beauftragen.
Aber Sie kritisieren nur am Rande die Existenz einer Frist, sondern vor allem den Ort der Formulierung. Grundsätzlich verstehe ich Ihren Einwand, zumal es für Sie ja offenbar auch um eine nicht unerhebliche Summe geht. Der Spaß am Lesen langer komplizierter Vertragstexte ist bei den meisten Menschen eher begrenzt. Andererseits liegt es dennoch auch in der persönlichen Verantwortung, beim Abschluss eines Vertrages - vor allem einem so wichtigen - dessen Bedingungen auch zu kennen. Die unerquickliche Lektüre kann man dem Verbraucher deshalb wohl nicht ersparen.
Ihr Argument „Verbraucherschutz“ ist dennoch nicht grundsätzlich falsch. In Deutschland z.B. gilt seit Mai 2007 das Vermittlergesetz. Mit dessen Inkrafttreten hat jeder Vermittler die Beratungspflichten zu erfüllen. Schon vorher war im Versicherungsvertragsgesetz geregelt, dass der Versicherungsvermittler jede Beratung - auch telefonische - dokumentieren muss.
Ich weiß nicht, wann Sie Ihren Vertrag unterzeichnet haben, ob zu diesem Zeitpunkt schon Beratungsprotokolle erstellt wurden und ob Beratungspflichten verletzt wurden. Falls dem so ist, müssten Sie sich an einen Anwalt wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Anette Kramme