Frage an Andrej Hunko von Maike K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Hunko,
wie stehen Sie zur automatischen Gesichtserkennung? Was halten Sie von den Argumenten der Initiative gesichtserkennung-stoppen.de, die Gefahren in Bezug auf Falscherkennung, einfache Umgehung, Diskriminierung, Gefahren für die Demokratie und Missbrauchspotential einer möglichen automatischen Gesichtserkennung sieht?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen zur Beantwortung der Frage.
Sehr geehrte Frau Köller,
Der zunehmende Einsatz von Software zur Verarbeitung von Massendaten erzeugt bei Polizei und Geheimdiensten eine hohe Nachfrage nach weiteren Informationen. Diesen Datenhunger beobachten wir auch bei der Nutzung von Gesichtsbildern. Unsere Fraktion DIE LINKE. im Bundestag wendet sich deshalb strikt gegen Anwendungen zur Gesichtserkennung. Dies meint nicht nur Technik, die wie am Berliner Bahnhof Südkreuz getestet in Echtzeit Gesichter mit einer Datenbank abgleicht. Dieses Verfahren ist ein Scheunentor für die massenhafte Bespitzelung der Bevölkerung. Zudem sind die Systeme derart fehleranfällig, dass an großen Bahnhöfen täglich eine dreistellige Zahl von Personen fälschlich ins Raster gerät.
Eher unbekannt ist aber, dass das Bundeskriminalamt bereits seit 2008 ein Gesichtserkennungssystem nutzt, allerdings nicht in Echtzeit, sondern zur Identifizierung unbekannter Personen. Abgefragt wird die INPOL-Datei, in der rund 5,8 Millionen Lichtbilder von erkennungsdienstlichen Behandlungen und anderen Identitätsfeststellungen gespeichert sind. Erst meine Kleinen Anfragen haben dies aufgedeckt. In drei Jahren sind damit eine Million Bilder hinzugekommen, das BKA kann uns diesen Zuwachs nicht erklären.
Das BKA-Gesichtserkennungssystem stammt von der Firma Cognitec und soll jetzt modernisiert werden, die Behörde hat dafür Produkte der Hersteller NEC, Cognitec, AnyVision, ldemia und VisionLabs getestet. Der Auftrag wird noch in diesem Quartal vergeben. Wie beim Staatstrojaner ist dem BKA die Funktionsweise dieser Anwendungen gar nicht bekannt, da die Algorithmen Geschäftsgeheimnis des Hersteller sind. Dieser Blindflug ist aus meiner Sicht nicht hinnehmbar. Es ist erfreulich, dass zur Gesichtserkennung bei der Bundespolizei derzeit eine öffentliche Debatte stattfindet. Deutlich wird aber am BKA-System, wie tief derartige Systeme in Persönlichkeitsrechte eingreifen. Das Bundesministerium des Innern muss die geplante Beschaffung einer neuen Anlage deshalb stoppen. Auch die retrograde Nutzung von Gesichtserkennung muss Datenschutz und Bürgerrechte achten, diese dürfen nicht wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden.
Unsere jüngste Anfrage zum Thema finden Sie hier: https://www.andrej-hunko.de/start/download/dokumente/1442-speicherungen-und-abfrage-polizeilicher-eu-datenbanken-2019
Mit freundlichen Grüßen
Andrej Hunko