Frage an Andrej Hunko von Klaus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Griechenlandkrise
Sehr geehrter Herr Hunko,
es ist zu lesen: Die hohen Zinsen für griechische Staatsanleihen kommen durch ein Doppelpassspiel von US-Ratingagenturen und Banken zustande. Doch die EU stellt lieber Trivialdiagnosen.
Einerseits kann man unter wikipedia ein durchaus vernünftiges und auch einschneidendes Sparprogramm der Griechen nachlesen, dass natürlich auch greifen muss und Überschriften wie " die Griechen sind Weltmeister im Sparen", andererseits werden die Griechen innerhalb kürzester Zeit schlechter bewertet und benötigen innerhalb von 6 Monaten mindestens 3 Kreditpakete.Wenn gebürgt wird, müßten die Beurteilungen besser und nicht schlechter werden. Womit sind Zinsen bis zu 17% zu rechtfertigen? Wie kann die Politik dort sinnvoll eingreifen statt nur Spielball dieser merkwürdigen Finanzgebarens zu sein? Wie will ein durchschnittlicher Abgeordneter egal welcher Couleur diese Dinge richtig beurteilen?
Mit freundlichen Grüssen
Klaus Schleicher
Sehr geehrter Herr Schleicher,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de.
Die ungerechtfertigt hohen Zinsen von bis zu 17% auf griechische Staatsanleihen lassen sich durchaus durch ein effektives Zusammenspiel zwischen den großen Ratingagenturen Moody’s, S&P und Fitch auf der einen und Banken auf der anderen Seite erklären. (Ein Blick auf die Eigentümerstruktur der Ratingagenturen ist hier aufschlussreich.)
Ratingagenturen sind profitorientierte Privatunternehmen, die vermeintlich komplexe Analyseverfahren anwenden, um Bonitätsbeurteilungen von Kreditnehmern vornehmen zu können. Obwohl die Agenturen diese Verfahren nicht öffentlich machen, ist davon auszugehen, dass sowohl die Schuldenstände als auch die wirtschaftliche Perspektive des entsprechenden Landes in die Beurteilung mit einfließen.
Die sozial ungerechten und ökonomisch kontraproduktiven Austeritätsprogramme, die die Troika, bestehend aus der Europäischen Zentralbank (EZB), der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), dem griechischen Staat und der griechischen Bevölkerung auferlegt hat, führten letztlich nicht zu einer Konsolidierung des Staatshaushalts, sondern vielmehr zu einem noch tieferen Einbruch der griechischen Wirtschaft, der bis heute anhält. Dieser negative Ausblick der Wirtschaft führte zu der sehr schlechten Beurteilung Griechenlands durch die Ratingagenturen, was wiederum zu höheren Zinsen für neue Kredite führte.
Die Kreditlinien der Troika haben das Problem eines möglichen Kreditausfalls also lediglich in die Zukunft verschoben und zusammen mit den harten Auflagen die desaströse Entwicklung im Land weiter verstärkt.
Um den nicht zu rechtfertigenden Einfluss der Ratingagenturen zu durchbrechen, müssen sie aus den Regulierungsregimen entfernt werden. Anstatt der Ratingagenturen müssen andere, besser funktionierende Sicherheitsstrukturen etabliert werden, u.a. eine Zulassungspflicht für Finanzprodukte, ähnlich der für Arzneimittel.
Auch sollten Anleger und nicht die Herausgeber von Wertpapieren und Staatsanleihen für die Bewertung des Anlagerisikos bezahlen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Weitere Schritte der Finanzmarktregulierung sind notwendig, damit die Politik nicht weiter nur ein Spielball der Finanzmärkte bleibt, sondern das Heft des Handelns zurück erlangt.
Daher plädiert DIE LINKE für eine direkte Finanzierung der Staaten durch die Europäische Zentralbank.
Mit freundlichen Grüßen
Andrej Hunko