Frage an Andreas Schockenhoff von Markus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Schockenhoff,
was glauben Sie, wie die erneute Diätenerhöhung um ca. 6% bei
Ihren Wählern und dem Rest der Bevölkerung ankommt, die z. B. wie ich als Landesbeamter, eine Lohnerhöhung bekommen, die nicht einmal die Inflation ausgleicht?
Sie lehnen Mindestlöhne ab und erhöhen sich das eigene Gehalt innerhalb kurzer Zeit um einen Betrag, der nahe beim diskutierten Mindestlohn liegt. Finden sie dieses Vorgehen gerecht, angebracht oder sozial ausgeglichen?
MfG
M. Böhlen
Sehr geehrter Herr Böhlen,
vielen Dank für Ihre Nachricht über Abgeordnetenwatch.
Ich bin mir, ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bewusst, dass jede Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung in der Öffentlichkeit besonders kritisch bewertet wird. Der jetzige Gesetzentwurf vollzieht allerdings die Entwicklung fest vorgegebener Bezugsgrößen nach. Ich will Ihnen den Hintergrund gern erläutern:
Die Entwicklung der Diäten folgt einer festen Bezugsgröße. Bereits vor 15 Jahren wurde aufgrund der Empfehlung einer unabhängigen Kommission festlegt, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages wie Oberbürgermeister mittlerer Städte bzw. wie einfache Richter an obersten Bundesgerichten besoldet werden sollen. Diese Bezüge entsprechen der Gruppe 6 der Bundesbesoldungsordnung (B 6).
Diese Bezugsgröße wurde aber nie erreicht, weil die Abgeordneten wiederholt -- zuletzt in den Jahren 2003 bis 2007 -- freiwillig auf eine Anpassung ihrer Bezüge verzichtet haben. Das ist leider in der Öffentlichkeit kaum bekannt.
2007 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dass die Abgeordnetenbezüge in zwei Stufen an die Bezugsgröße B 6 herangeführt werden, und zwar zum 1. Januar 2008 und zum 1. Januar 2009. Wohlgemerkt: Es handelte sich hier nicht um eine Erhöhung, sondern um die Heranführung der Diäten an eine schon seit langem feststehende Bezugsgröße.
Jetzt steht in der Tat eine Erhöhung der Diäten an. Diese resultiert aus dem Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Dem Deutschen Bundestag liegt ein Gesetz zur Beschlussfassung vor, wonach das Ergebnis wirkungsgleich auf die Beamten und Pensionäre des Bundes übertragen werden soll. Damit steigen dann auch die B6-Gehälter, und zwar um 3,63 Prozent zum 01. Januar 2008 und um 2,68 Prozent zum 01. Januar 2009.
Diese tarifliche Anpassung wird der Deutsche Bundestag auch für die Bezüge der Abgeordneten übernehmen. Allerdings mit zwei wesentlichen Unterschieden:
1. Die Anpassung soll um ein Jahr zeitverzögert vorgenommen werden, also zum 01. Januar 2009 und zum 01. Januar 2010.
2. Die im Tarifabschluss für Januar 2009 vorgesehene einmalige Zahlung von 225 Euro wird _nicht_ übernommen.
Die Abgeordneten müssen diese Anpassung selbst beschließen. So steht es im Grundgesetz, und so hat auch das Bundesverfassungsgericht wiederholt vorgegeben. Dem Parlament ist es nicht gestattet, diese verbindliche Entscheidung auf eine andere Stelle außerhalb des Bundestages wie etwa eine Expertenkommission zu übertragen. Das Gericht hat außerdem geurteilt, dass die Entschädigung nicht an die Beamtenbesoldung gekoppelt werden darf. Aus diesen Gründen beschließt der Bundestag in einem transparenten, vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindenden Verfahren im Plenum über die Höhe seiner Entschädigung. Von "Selbstbedienung" kann deshalb keine Rede sein.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position in der Frage verdeutlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andreas Schockenhoff
Mitglied des Deutschen Bundestages