Frage an Andreas Schockenhoff von Paul L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Schockenhoff,
im Deutschlandfunk vom 20.01. sagten Sie, ich zitiere: "Man kann doch nicht deshalb es verweigern, gegen Kriminalität, gegen Terrorismus vorzugehen, weil man sagt, aber da gibt es auch Wirtschaftsinteressen."
Bedrohung von Afrika für Europa? Was die bisherigen militärischen Interventionen in Afrika und Nahost bewirkt haben, ist offensichtlich, nämlich Destabilisierungen und Chaos (Irak, Afghanistan, Libyen). Syrien wird durch inoffizielle Waffenlieferungen und Unterstützung von Terrorgruppen als weiteres Land in Chaos fallen (ich bin keinesfalls ein Befürworter von Assad!). Wir sollten nicht vergessen, dass es vor allem die Franzosen und Engländer waren, die in der kolonialen Phase durch willkürliche Grenzziehungen in Afrika die Grundlage für die heutigen Konflikte gelegt haben. Und Europa hat es noch nie sonderlich belastet, mit Regimes zusammenzuarbeiten, wenn es den wirtschaftlichen Interessen dient. Nur wenn man dies alles ausblendet, kann man ihren zitierten Satz vielleicht akzeptieren. Aber selbst dann ist für mich offensichtlich, dass die Gewichtung eine andere ist, nämlich die: es sind in erster Linie die Wirtschaftsinteressen, dann will man sich die Flüchtlingsströme von den Grenzen fernhalten und am Ende ist es dann der hilflose Versuch, mit militärischen Mitteln afrikanische Probleme zu lösen, die ursächlich mit Europa verbunden sind. Terrorismusbekämpfung ist Polizeiarbeit! Militärinterventionen als letztes Mittel? Sind Sie wirklich davon überzeugt, dass alle friedlichen Wege zur Lösung der Konflikte versucht wurden? Es ist zwar begrüßenswert, dass wir keine aktiven Kampfgruppen schicken. Aber wenn erst einmal der Prozess in Gang gekommen ist, entwickelt sich eine nicht mehr kalkulierbare Eigendynamik, die die parlamentarische Steuerung und Kontrolle schwächt. Konsequenz: wenn, dann klar umrissene Einsätze und die müssen von der UNO mandatiert und ausschließlich mit UNO-Soldaten durchgeführt werden!
Freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr Laudenberg,
Vielen Dank für Ihre Frage. Sie nehmen Bezug auf ein Interview, in dem ich mich zu unserem Engagement in Zentralafrika und Mali geäußert habe.
Erhebliche Herausforderungen für Europas Sicherheit haben ihren Ursprung in bestimmten Teilen Afrikas. In einigen Regionen gibt es Bürgerkriege und Flüchtlingsströme, fundamentalistischen Terror, Drogen- und Menschenhandel und organisierte Kriminalität.
Dies sind nicht ausschließlich „afrikanische Probleme“. Vielmehr sind die Auswirkungen dieser Konflikte und Probleme bis nach Europa zu spüren. Sie sind eine unmittelbare Bedrohung für unsere Sicherheit.
„Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung. […] Deutschland setzt sich weltweit für Frieden, Freiheit und Sicherheit […] ein. […] Wir stehen bereit, wenn von unserem Land Beiträge zur Lösung von Krisen und Konflikten erwartet werden.“ (Koalitionsvertrag S. 168)
Deutschland leistet deshalb im Rahmen der EU und unter dem Dach der UN sowie im Verbund mit Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union im konkreten Fall seinen Beitrag zur Krisen- und Konfliktlösung in Afrika, auch mit Hilfe der Bundeswehr.
In Afrika ist unser grundsätzliches Ziel, dass die regionalen Organisationen und Länder dort selbst für ihre Sicherheit und Stabilität sorgen können.
Deutschland unterstützt deshalb in Mali den umfassenden Ansatz der internationalen Gemeinschaft, die malischen Behörden in die Lage zu versetzen, eigenständig für die Sicherheit in Mali zu sorgen und die Stabilität des Landes zu gewährleisten.
Das militärische Eingreifen Frankreichs in Mali Ende 2012 lag im europäischen und deutschen Interesse. Es hat verhindert, dass radikalislamistische Terrorgruppen das ganze Land überrennen konnten. Ein erfolgreicher Vormarsch hätte ihrem Terror nicht nur in ganz Mali, sondern in der Region Vorschub geleistet. Ein Rückzugsraum für militante Islamisten, die unsere freiheitlich-demokratische Lebensweise bekämpfen, wäre entstanden. Das Vorgehen Frankreichs hat die Möglichkeit eines politischen und staatlichen Wiederaufbauprozesses eröffnet.
In der Zentralafrikanischen Republik hat ein Kreislauf eskalierender Gewalt aufgrund ethnisch-religiöser Spannungen zu einer gravierenden Verschlechterung der Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik und humanitären Situation mit fast 1 Mio. Binnenflüchtlingen geführt. Fast die Hälfte der Bevölkerung (2,2 von 4,6 Mio.) ist auf akute Hilfe angewiesen.
Die religiös motivierte Gewalt zwischen Muslimen und Christen war dermaßen eskaliert, dass die Vereinten Nationen von der Gefahr eines Genozids gesprochen haben. Es war deshalb richtig und notwendig, dass die Franzosen in der Zentralafrikanischen Republik militärisch eingegriffen haben, um den Großteil der Binnenflüchtlinge, die sich in der Hauptstadt Bangui befinden, vor weiterer Gewalt zu schützen.
Der UN-Sicherheitsrat hat im Dezember die Entsendung einer „Internationalen Unterstützungsmission in der ZAR unter afrikanischer Führung“ (AU-Mission MISCA) sowie den vorübergehenden Einsatz französischer Truppen (Mission SANGARIS) zu ihrer Unterstützung genehmigt.
Die EU hat unterstützend am 20. Januar 2014 eine militärische GSVP-Überbrückungsmission beschlossen. Bis zu sechs Monate soll im Gebiet der Hauptstadt Bangui dazu beigetragen werden, ein sicheres Umfeld zu schaffen.
Die Einsätze in Mali und der Zentralafrikanischen Republik basieren auf einer klaren völkerrechtlichen Grundlage. In der Konsequenz können sich Europa als Nachbarkontinent Afrikas und Deutschland als größtes Land in Europa ihrer Verantwortung nicht verweigern. Denn: „Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen.“ (Bundespräsident Gauck, 3. Oktober 2013)
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Schockenhoff