Frage an Andreas Schockenhoff von Ottmar M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Dr. Schockenhoff,
Ihre
Antwort zum Panzerexport nach Saudi-Arabien ist wenig überzeugend. Wiederholt man hier nicht das schon mehrfach gescheiterte „Konzept“, eine Diktatur, die Menschenrechte und Demokratie missachtet, wie Sie ja selbst einräumen, als Stabilitätsfaktor anzusehen und mit Waffen aufzurüsten, um sie dann später irgendwann mit Sanktionen oder Krieg zu überziehen?
Andere Regime, Diktaturen und missliebige Regierungen (Iran, Syrien, Weißrussland, Birma usw.) werden wegen Verstößen gegen Menschenrechte sanktioniert. Soll das alles glaubwürdig sein? Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Menschenrechte werden nur als Vorwand zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen missbraucht? Sie sprechen selbst das Thema Bahrein an. Dort stehen US-Truppen, die Freiheit und Demokratie in alle Welt bringen wollen, Gewehr bei Fuß, während die Demokratiebewegung u.a. von Saudi-Arabien militärisch niedergeschlagen wird. Kritik seitens der deutschen Bundesregierung habe ich nicht vernommen. Habe ich diese überhört?
Warum wird Syrien mit Sanktionen behandelt, warum wurde Libyen mit Krieg überzogen, während Israel den Gazastreifen 2008/09 bombardieren, mit Raketen, Schiffsartillerie und Panzern mit Phosphormunition beschießen durfte? Diesem Beschuss fielen auch mehrere hundert Zivilisten zum Opfer. Diese zivilen Opfer als Kollateralschäden zu bezeichnen, dürfte mehr als zynisch sein, da bei einem derart massiven Einsatz von Feuerkraft in einem dicht besiedelten Gebiet wie dem Gazastreifen zivile Opfer in großer Zahl überhaupt nicht vermieden werden können. Oder gelten hier andere Menschenrechte?
Ottmar Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass Sie die Sanktionen etwa gegen Syrien, wo das Assad-Regime das syrische Volk brutal unterdrückt, in Frage stellen. Libyen wurde zudem keineswegs mit „Krieg überzogen“, sondern zum einen hat sich das libysche Volk ohne Zutun von außen gegen Diktator Gaddafi erhoben und zum zweiten wurde auf Grundlage einer VN-Resolution (1973) von Seiten der internationalen Gemeinschaft militärisch eingegriffen, um die Zivilbevölkerung, wie es die Resolution vorsah, zu schützen. Somit konnte etwa ein Massaker an den Bewohnern von Benghasi durch Gaddafis Schergen in letzter Minute verhindert werden. Das weitere militärische Eingreifen konnte dann eine Rache der Gaddafi-Truppen an der aufständischen Bevölkerung verhindern. Weder in Libyen noch in anderen arabischen Ländern gab es Proteste gegen das militärische Vorgehen der internationalen Gemeinschaft - dort scheint man Ihre Sichtweise, dass „Libyen mit Krieg überzogen wurde“, also nicht zu teilen. Schließlich finde ich es erschreckend, dass Sie Israel dafür anprangern, dass es seine Bevölkerung vor dem Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen schützen will. Israelische Tote und Verletzte durch islamistische Extremisten aus den Gaza-Streifen, die das militärische Eingreifen Israels bewusst provoziert hatten, sind Ihnen offensichtlich keine Erwähnung wert.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Schockenhoff