Wann kommt das Nordische Modell auch in Deutschland?
Sehr geehrter Herr Mehltretter,
in diesem Jahr wird das Prostituiertenschutz-Gesetz aus 2002 evaluiert und anschließend muss eine neue politische Ausrichtung in Sachen Prostitution getroffen werden. Andere Länder wie Schweden, Frankreich, bald auch Spanien führen ein Sexkauf-Verbot ein, um Prostituierte zu schützen, sie nicht zu kriminalisieren, sondern um Freier zu bestrafen und Prostitution staatlich zu sanktionieren. Mit diesem Wandel ändert sich gleichzeitig der Blick auf die gesellschaftliche Stellung der Frau. Gleichberechtigung der Geschlechter kann nicht funktionieren, wenn ein Teil den anderen zur reinen Triebabfuhr einfach "kaufen" kann. Prostitution ist mit der Menschenwürde nicht vereinbar. Daher meine Frage, wie die SPD zu einem Sexkauf-Verbot und zur Einführung des Nordischen Modells in der nächsten Legislaturperiode stehen?
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Sehr geehrte Frau G.,
Schweden hat bereits 1998 das so genannte Nordische Modell eingeführt. Es verbietet Prostitution, verfolgt Freier strafrechtlich, entkriminalisiert Prostituierte und bietet Ausstiegshilfen ebenso an wie eine Aufklärung der Gesellschaft. Diesem Modell sind Länder wie Norwegen, Irland und Kanada gefolgt. Viele dieser Punkte sind auch für mich unstrittig. Ich finde jedoch, wir müssen auch die Frauen unterstützen, stärken und begleiten, die nicht aussteigen wollen. Was sich in den vergangenen zwanzig Jahren gezeigt hat: Das Sexkaufverbot hat in Schweden nicht dazu geführt, dass Menschenhandel und Zwangsprostitution nachhaltig bekämpft werden konnten. Meiner Meinung nach verlagern Verbote Prostitution nur an andere Orte, wo sie weitaus weniger transparent und damit für die Betroffenen weitaus gefährlicher ist.
Ich kann Ihre Position gut verstehen. Ich sehe aber auch die Gegenargumente: Prostitution verschwindet in den Untergrund, Gewalt gegen Prostituierte nimmt zu, der Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung und zu sozialen Leistungen ist für die Betroffenen schwieriger.
Auch in der SPD-Bundestagsfraktion gibt es hier unterschiedliche Sichtweisen. Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten. Insgesamt unterstützen wir aber die Position, die auch der Deutsche Frauenrat, die Aidshilfe Deutschland und die Diakonie Deutschland vertreten: Statt eines Sexkaufverbots bedarf es mehr Unterstützung für die Menschen, die in als Prostituierte arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Mehltretter