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Andreas Larem
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Frage von Heike R. •

Warum unterstützen wir nicht ebenso massiv die Opfer anderer Angriffskriege, genauso wie wir die Ukraine unterstützen?

Sehr geehrter Herr L.
ich verurteile massivst den Überfall Russlands auf die Ukraine und begangene Kriegsverbrechen beiderseits.
1. warum haben wir uns nicht ebenso massiv auf die Seite des Irak gestellt, als dieser ebenso völkerrechtswidrig und mit erlogenen Gründen durch die USA angegriffen wurden? Was sogar bis zu 1 Mio Tote forderte, was zu kriegsverbrechen an Soldaten und Zivilbevökerung führte, was die Entstehung des IS initiierte?
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Irakkrieg
2. Warum liefern wir Waffen in die Ukraine, die weder der EU oder der NATO angehört und was nur zur Kriegsverlängerung beiträgt???
3.Warum dieses Embargo gegen Russland, was nicht die Verantwortlichen in Russland trifft, aber deren Bevölkerung und massiv unser eigenes Land?

MfG
Heike Rogal

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Sehr geehrte Frau R.,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 12. April 2022.

Warum haben wir uns nicht auf die Seite des Irak gestellt?
Der Irakkrieg begann am 20. März 2003 und wurde von den USA, Großbritannien und einer "Koalition der Willigen" geführt. Er führte zur Eroberung der Hauptstadt und zum Sturz des damaligen Diktators Saddam Hussein. Am 1. Mai 2003 wurde der Krieg für beendet erklärt.

Die USA und Großbritannien legten dafür die UN-Resolution 1441 als UN-Mandat für ein militärisches Eingreifen aus. Darin hatte der UN-Sicherheitsrat den Irak unter anderem dafür verurteilt, seiner Verpflichtung zur Beseitigung und Kontrolle seiner Massenvernichtungswaffen nicht nachzukommen, Terrorismus zu unterstützen und seine Bevölkerung zu unterdrücken, sowie alle UN-Mitgliedstaaten autorisiert, „alle notwendigen Mittel“ anzuwenden, um die Einhaltung der UN-Resolutionen durchzusetzen. Jedoch erhielten die USA und Großbritannien kein explizites Mandat vom Sicherheitsrat zum militärischen Angriff, nach herrschender Meinung wird der Irakkrieg daher als ein Bruch des Verbots eines Angriffskrieges in der UN-Charta und somit als völkerrechtswidrig bewertet. Die USA und Großbritannien verhinderten mit ihrem Vetorecht jedoch, dass der UN-Sicherheitsrat den Irakkrieg verurteilte.

Deutschland hat eine Beteiligung am Irak Krieg abgelehnt. Während die USA ein militärisches Eingreifen zur Durchsetzung der UN-Resolution 1441 forderten, zeigte sich Europa in dieser Frage tief gespalten: Staaten wie Großbritannien, Spanien, Italien oder Polen befürworteten einen Krieg, Deutschland, Frankreich und Russland plädierten für eine friedliche Lösung des Konflikts.

Gerade die deutsche Regierung hatte sich schon früh gegen eine Ausweitung des von den USA nach dem 11. September begonnenen „Kriegs gegen den Terror“ auf den Irak ausgesprochen. Deutschland hat die amerikanische Politik damals erstmals öffentlich kritisiert. Gerhard Schröder hatte angekündigt, einer entsprechenden Resolution der UN nicht zuzustimmen. Deutschland setzte sich damals für eine Entwaffnung des Iraks auf friedlichem Wege ein.

Ich persönlich finde, dass Deutschland sich damals sehr weit aus dem Fenster gelehnt hat, um einen Frieden ohne militärischen Einsatz zu erreichen.

Warum liefern wir Waffen in die Ukraine, die weder der EU oder der NATO angehört?
Putins Angriff ist die mutwillige Zerstörung der europäischen Sicherheitsordnung, die wir nach dem Ende des Kalten Krieges geschaffen haben. Der Angriff bedeutet leider auch das Scheitern aller bisherigen diplomatischen Bemühungen – aber auch aller jüngsten Versuche militärischer Abschreckung. Dennoch war es richtig, dass wir diplomatische Lösungen gesucht und diejenigen unterstützt haben, die sich um Gespräche mit dem russischen Präsidenten bemüht haben. Wir dürfen auch in Zukunft nicht auf Diplomatie verzichten. Aber Putin ist gegenwärtig offenbar nicht zu einer diplomatischen Lösung bereit.

Putin ist offensichtlich von einer realitätsfernen Interpretation der Geschichte besessen. Er träumt von einem Russland in den Grenzen des russischen Zarenreichs und der weltpolitischen Bedeutung der ehemaligen Sowjetunion. Seine Reden und sein Handeln sind klarer Beweis dafür, dass er in imperialistischen historischen Kategorien denkt, der Ukraine eine eigene Staatlichkeit abspricht und sie als Teil Russlands betrachtet. Putin lügt, wenn er den militärischen Überfall unter anderem mit der Behauptung begründet, in der Ukraine finde ein Genozid statt und Russland sei bedroht durch die Ukraine.

Wir setzen uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für eine sofortige Waffenruhe und den unverzüglichen und vollständigen Abzug der russischen Truppen von ukrainischem Territorium ein. Solange eine Waffenruhe nicht erreicht werden kann, ist davon auszugehen, dass der Überfall auf die Ukraine andauern wird.

Derzeit gibt es keine Hinweise auf einen Angriff Putins auf das NATO-Bündnisgebiet. Sollte allerdings ein NATO-Partnerland von Russland angegriffen werden, gilt der NATO-Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages. Deutschland steht zur Beistandspflicht der NATO.

Nach Putins Aggression hat die deutsche Bundesregierung nach langem Abwägen entschieden, der Ukraine Panzerabwehrwaffe und Boden-Luft-Raketen zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung hat darüber hinaus den Weg freigemacht für die Lieferung von mehreren Haubitzen aus DDR-Beständen, die sich zurzeit in Estland befinden. Wir haben uns dazu entschieden, weil die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung hat.

Zugleich stärken wir die Ostflanke der NATO. Die Bundeswehr stellt hierfür Soldat:innen bereit:

  • Litauen: Rund 900 Soldat:innen im Rahmen der NATO-Mission „Enhanced Forward Presence“,
  • Rumänien: Sechs Eurofighter im Rahmen der NATO-Mission „Enhanced Air Policing South“.
  • Slowakei: Rund 200 Soldat:innen für die Aufstellung einer multinationalen Battle Group sowie weitere Kräfte zur Luftverteidigung,
  • Marineeinheiten in der Ostsee und im Mittelmeer.
  • Wir sind auch bereit, uns mit Luftabwehrraketen an der Verteidigung des Luftraums unserer Alliierten in Osteuropa zu beteiligen.

Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und steht für den Schutz seiner Mitglieder ein. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied. Deshalb werden sich die NATO-Mitgliedsländer auch nicht aktiv an militärischen Aktionen in der Ukraine beteiligen.

Warum dieses Embargo gegen Russland?
Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben Sanktionen in nie gekanntem Ausmaß ergriffen und behalten sich weitere Sanktionen vor. Die Strafmaßnahmen sind sofort nach dem Beginn von Putins Angriff auf die Ukraine gemeinsam in Europa und in Absprache mit unseren transatlantischen Partnern ergriffen worden. Sie zielen auf die russische Wirtschaft und die politische Elite, sie sind nicht gegen die russische Bevölkerung gerichtet. Wir danken der tapferen russischen Zivilgesellschaft, die gegen das Regime in Russland protestiert.

Wir wollen Putin mit den Sanktionen von seinem Aggressionskurs abbringen. Der Krieg ist eine Katastrophe für die Ukraine, aber auch für Russland selbst und für Europa. Dafür stehen wir einig mit unseren Verbündeten. Russische Börsenwerte haben bereits stark nachgegeben - das zeigt, dass die Sanktionen wirken.

Ich hoffe, diese Antwort war für Sie hilfreich.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Andreas Larem
Mitglied des Deutschen Bundestages
Bürgermeister a.D.

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