Frage an Andreas Gerhold von Elise S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Andreas Gerhold,
wir haben uns am Donnerstag auf der Veranstaltung getroffen und uns anschließend noch unterhalten.
Ich finde du hast dich gegen die Profis der anderen Parteien sehr gut behauptet und man merkte daß du aus einem anderen „Stall“ kommst.
Ich habe da noch eine Nachfrage. Du hast als Beispiel für mangelnde Transparenz einen Ausschuss genannt, der immer ohne Öffentlichkeit stattfindet obwohl das nach irgendeinem Gesetz eigentlich nicht sein darf. Kannst du das mal genauer erklären? Was wollen denn die Piraten machen um Politik transparenter zu machen und die Bürger mehr zu beteiligen? Und glaubst du daß ihr genug Erfahrung habt um in Hamburg zu regieren?
cu
Elise
Hallo Elise,
vielen Dank für die Blumen! :)
Der Ausschuss den ich angesprochen habe ist der Bauausschuss Hamburg-Mitte. Gleiches gilt aber ebenso für Bauausschüsse anderer Bezirke.
Hier http://www.hamburg.de/mitte/politik-und-verwaltung/bezirksversammlung/ausschuesse/2402798/ausschuesse.html findest du die Termine und Tagesordnungen aller Ausschüsse in Hamburg Mitte. Lediglich beim Bauausschuss steht gleich „nicht öffentlich“, es wird kein Termin und keine Tagesordnung wie bei den anderen Ausschüssen genannt.
Der Bauausschuss selbst erklärt dies einsilbig mit dem Wort „Datenschutz“. Auch auf der Veranstaltung am Donnerstag hatte der anwesende stellvertretende Leiter dieses Ausschusses Michael Osterburg von der GAL nicht mehr dazu zu erklären. Das ist ärgerlich, denn im Hamburger Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) ist festgelegt:
*§ 14 Öffentlichkeit*
(1) Die Sitzungen der Bezirksversammlung und ihrer Ausschüsse sind öffentlich.
(2) Die Öffentlichkeit kann durch Beschluss bei einzelnen Tagesordnungspunkten ausgeschlossen werden. Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, soweit gesetzliche Vorschriften, überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner dies erfordern. Über einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ist in nichtöffentlicher Verhandlung zu beraten und zu beschließen.
(3) Die Bezirksversammlung und ihre Ausschüsse können den Einwohnerinnen und Einwohnern in ihren öffentlichen Sitzungen Gelegenheit geben, an die Mitglieder Fragen zum Gegenstand der Beratungen zu stellen.
( http://www.hamburg.de/grundlagen-bezirke/81628/para14bezvg.html )
Der Ausschuss könnte zu Tagesordnungspunkten, bei denen schutzwürdige Daten Dritter offengelegt werden müssen also tatsächlich die Öffentlichkeit ausschließen, darf nach meiner Rechtsauffassung aber die Öffentlichkeit nicht grundsätzlich und noch vor einem entsprechenden Beschluss ausschließen.
Ich habe dies auch bereits bei der Stelle für Öffentlichkeitsarbeit im Bezirk angefragt und folgende kryptische Antwort erhalten:
„Der Bau- und Denkmalschutzausschuss tagt in der Regel nicht öffentlich (also wenn er es beschließt), da in der Beratung über Bau- und Vorbescheidsanträge Personendaten genannt werden, die datenschutzrechtlich zu schützen sind. Eine eindeutige Regelung im BezVG ist aber nur für die Unterausschüsse für Bauangelegenheiten getroffen worden:
§ 16 Fachausschüsse, Regionalausschüsse, Sonderausschüsse
(1) Die Bezirksversammlung kann zur Vorbereitung ihrer Beschlüsse Ausschüsse mit jeweils höchstens 15 Mitgliedern einsetzen. Die Einsetzung von Unterausschüssen ist nicht zulässig. Abweichend von Satz 2 darf die Bezirksversammlung bei jedem Regionalausschuss einen Unterausschuss mit höchstens neun Mitgliedern bilden, in dem in nichtöffentlicher Sitzung Bauangelegenheiten des Bezirksamtes behandelt werden. Für diesen Unterausschuss gelten die §§ 7 und 13 sowie § 16 Absatz 4 Satz 1 und § 17 Absätze 1, 3, 4 und 5 entsprechend.
Dies resultiert wahrscheinlich daraus, dass nicht in jedem Bezirksamt ein extra Fachausschuss für Bauangelegenheiten eingerichtet wird. Fakt ist aber, dass der Ausschuss denselben Inhalt wie der Unterausschuss hat und daher dieser Paragraph analog für den Bau- und Denkmalschutzausschuss angewandt wird. Hier gibt es eben nur die Besonderheit, dass der Ausschuss jedes Mal darüber beschließen muss.“
Ich gebe ja nun gerne zu kein Jurist zu sein und leider fehlen mir als Privatperson auch die Mittel diese Aussagen juristisch prüfen zu lassen.
Aber wenn ich das richtig interpretiere heißt das: Der Bauausschuss muss eigentlich grundsätzlich öffentlich tagen und darf lediglich zu bestimmten TOPs, begründet die Öffentlichkeit ausschließen (BezVG § 14). Aber weil´s irgendwie praktischer ist und der Inhalt theoretisch gleich wäre, wird der Bauausschuss wie ein Unterausschuss eines Regionalausschusses behandelt ("analog") und deshalb wird, wie in §16 für diese erlaubt, dort in nichtöffentlicher Sitzung getagt, mit der Einschränkung, dass, weil es sich ja in Wirklichkeit nicht um den Unterausschuss eines Regionalausschuss handelt, jedes mal nach nichtöffentlicher Beratung nichtöffentlich abgestimmt werden müsste die Öffentlichkeit auszuschließen.
Aber selbst das ist ja offenbar nicht der Fall, da die Sitzungen schon vorab als nicht öffentlich deklariert werden. Bleibt also mindestens die Frage, wie kann eine Ausschusssitzung schon im Vorfeld als nichtöffentlich bekannt gegeben werden, bzw. damit auch begründet werden, dass es keine veröffentlichten Termine und Tagesordnungen gibt, wenn der Ausschuss doch erst *in der Sitzung* die Nichtöffentlichkeit beschließen kann.
Das finde ich schon harten Tobak, aber der Spuk geht ja noch weiter.
Auch Verträge, die in unser aller Namen z.B. mit Investoren geschlossen werden unterliegen offenbar vollständig der Geheimhaltung obwohl andererseits ausgewählte Teile der Presse mitgeteilt werden. Hier werden unter dem Deckmantel des Datenschutzes den Bürgern gezielt Informationen vorenthalten. So wird Bürgerbeteiligung verhindert!
Um meine Antwort nicht zu lang werden zu lassen werde ich jetzt kein Beispiel im Detail anführen, aber google doch mal „städtebaulicher Vertrag“ und „Köhler von Bargen“ und versuche den Vertrag selbst zu finden um zu überprüfen ob die Aussagen von Presse und Politik über diesen Vertrag wirklich zutreffen und ob der Vertrag auch eingehalten wird.
Die PIRATEN fordern deshalb zusätzlich zum Informationsfreiheitsgesetz ein Transparenzgesetz, das uns Bürgern Einblick in Verwaltungsabläufe und politische Entscheidungen geben soll. Mit einem solchen Gesetz wäre uns sehr wahrscheinlich auch das Desaster der Vervielfältigung der Baukosten der Elbphilharmonie erspart geblieben.
Außerdem wollen die Piraten, dass alle Sitzungen der Hamburger Bürgerschaft, Bezirksversammlungen und Ausschusssitzungen live gestreamt, also als Video ins Internet übertragen werden. Bei nichtöffentlichen Sitzungen soll mindestens die Tagesordnung, der begründete Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit und die entsprechenden namentlichen Abstimmung veröffentlicht werden.
Alle Protokolle, auch die Videoprotokolle sollen an zentraler Stelle für jedermann ohne Hürden abrufbar sein.
Ich hoffe meine Antwort ist nicht zu trocken geraten, doch um Paragraphen kommt man hier nicht herum, insbesondere wenn diese so frei interpretiert werden wie hier und das zum Nachteil der Bürger.
Ach ja, und ob ich glaube, dass die Piraten schon genug Erfahrung haben um Hamburg zu regieren?
Offen gesagt, nein das glaube ich nicht. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass uns ein solcher Antrag gemacht werden würde, von alleiniger Regierung ganz zu schweigen. Bei den Grünen hat es Jahrzehnte gedauert, bis sie von der etablierten Politik als „regierungsfähig“ angesehen wurden. Aber, wie du aus meiner Antwort hoffentlich herauslesen kannst, sind wir durchaus oppositionsfähig und eine Regierung, egal welche ist nur so gut wie ihre Opsosition.
Deshalb braucht Hamburg Piraten im Rathaus und in den Bezirken!
Liebe Grüße
Andreas