Andreas Gerhold, PIRATEN, Listenplatz 2, WK 1
Andreas Gerhold
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Frage von Ralf Paul R. •

Frage an Andreas Gerhold von Ralf Paul R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Nr.1 Gewissensfrage
Die Möglichkeit, einzelne Personen direkt in die Bürgerschaft zu wählen oder wenigstens deren Entsendung zu unterstützen ist erfreulich, wirft aber auch die Frage auf, ob parteigebundenen Kandidaten überhaupt je Entscheidungen treffen, die nicht vom Konsens der Fraktion diktiert werden.
Wie halten Sie es mit der Freiheit Ihrer Entscheidung in Abstimmungsfragen und mit Ihrer Verantwortung gegenüber den Wählern, die Ihnen ihre Stimme als direkte Personenwahlstimme gegeben haben?

Nr.2 Stadtentwicklungspolitik
Wie wollen Sie sich persönlich und im Rahmen Ihrer Fraktion für die Bereitstellung sozialen Wohnraumes, d.h. für die gesetzliche Verankerung einer Quote für mietpreisgebundenen Wohnraum in allen Hamburger Stadtteilen einsetzen?
Können Sie sich vorstellen, auch gestzliche Grundlagen für die Bereitstellung sozialer Gewerberäume zu schaffen, also für ausgewiesene Gewerberaumkontingente, in denen für bestimmte soziale Zwecke und Mietergruppen die freien Marktbedingungen für Gewerberaum reglementiert werden?

Nr.3 Arbeits- und Bildungspolitik
Welche Instrumente und Gesetzesgrundlagen werden Sie in der Bürgerschaft vorschlagen, um die Ausbildungs- und Fortbildungsperspektiven für erwerbstätige und arbeitslose Erwachsene stärker zu fördern und auch finanziell zu unterstützen?

Nr.4 Studiengebühren
Wie sehen Sie die Möglichkeiten, die Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen wieder abzuschaffen oder wenigstens deutlich zu senken? Und wie transparent werden Studierende eigentlich über die konkrete Verwendung der Studiengebühren für Zwecke und Mehrwerte in Ihrem eigenen Studium informiert? Müssten die Bildungseinrichtungen, denen die Studiengebühren zukommen hierüber nicht viel intensiver Auskunft geben?

Andreas Gerhold, PIRATEN, Listenplatz 2, WK 1
Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Randau,

vielen Dank für Ihre gar nicht einfachen Fragen. Ich schreibe der Übersicht halber meine Antworten direkt unter die Fragen.

Nr.1 Gewissensfrage
Die Möglichkeit, einzelne Personen direkt in die Bürgerschaft zu wählen oder wenigstens deren Entsendung zu unterstützen ist erfreulich, wirft aber auch die Frage auf, ob parteigebundenen Kandidaten überhaupt je Entscheidungen treffen, die nicht vom Konsens der Fraktion diktiert werden.

Wenn es einen Konsens gibt bedarf es ja keines Diktats und dies ist natürlich eine erstrebenswerte Situation, dass jeder Abgeordnete in Übereinstimmung mit seinem Gewissen mit seiner Fraktion stimmen kann. Dass dies aber nicht immer der Fall sein kann ist uns beiden klar.

Üblicherweise wird dieses Problem über einen Fraktionszwang gelöst, die Abgeordneten werden also angehalten gemeinsam mit ihrer Fraktion zu stimmen, auch wenn ihre Gewissensentscheidung anders ausfallen würde, obwohl der Abgeordnete per Gesetz nur seinem Gewissen verpflichtet ist. Die Freigabe von Abstimmungen ist die Ausnahme.

Die Piratenpartei hat keinen Fraktionszwang beschlossen. Trotzdem kann es praktische und durchaus nachvollziehbare Gründe geben auch mal entgegen der persönlichen Meinung mit seiner Fraktion zu stimmen. Denn auch mit meiner persönlichen Entsendung in ein Parlament durch den Wähler bin ich doch mit dem Parteiprogramm, das dem Wähler zuvor bekannt war, angetreten. In einem solchen Programm kann es auch Punkte geben, denen ich im Vorfeld nicht zugestimmt habe.

Wenn ich aber schon vorher keine Mehrheit für meine Position gefunden habe und trotzdem mit diesem Programm angetreten bin, wäre es nicht nur der Partei gegenüber, sondern vor allem dem Wähler gegenüber unredlich später anders abzustimmen als der Wähler es von mir erwarten konnte.

Auch die Einhaltung von Koalitionsverträgen könnte ein Grund sein die persönliche Position im Einzelfall hinten an zu stellen. In einer solchen Vereinbarung müssen beide Seiten Kompromisse eingehen und jede Seite hat Kröten zu schlucken. Würde nun jeder Abgeordnete immer nur nach seiner persönlichen Meinung stimmen wären solche Vereinbarungen und somit Koalitionen unmöglich.

Wie halten Sie es mit der Freiheit Ihrer Entscheidung in Abstimmungsfragen und mit Ihrer Verantwortung gegenüber den Wählern, die Ihnen ihre Stimme als direkte Personenwahlstimme gegeben haben?

Wie oben beschrieben//sehe ich meine Verantwortung gegenüber dem Wähler auch darin für ein Programm mit dem ich gemeinsam mit meiner Partei angetreten bin auch einzustehen.

Auch dies ist eine Gewissensentscheidung, selbst wenn meine persönlich Meinung dabei mal zurück stehen muss. Sollte aber der Fall eintreten, dass eine Frage zur Abstimmung steht, die sich nicht aus den Positionen mit denen ich zur Wahl angetreten bin ableiten lässt und zu denen die Mehrheit der Fraktion eine Auffassung vertritt, die sich tatsächlich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren lässt, werde ich tatsächlich gezwungen sein gegen meine Fraktion zu stimmen. Das Risiko danach nicht mehr als Kandidat aufgestellt zu werden würde ich in einem solchen Fall eingehen.

Nr.2 Stadtentwicklungspolitik
Wie wollen Sie sich persönlich und im Rahmen Ihrer Fraktion für die Bereitstellung sozialen Wohnraumes, d.h. für die gesetzliche Verankerung einer Quote für mietpreisgebundenen Wohnraum in allen Hamburger Stadtteilen einsetzen?

Ich bin mir nicht sicher was Sie mit einer „Quote für mietpreisgebundenen Wohnraum in allen Stadtteilen“ meinen. In der Vergangenheit wurde sozialer Wohnungsbau, so er denn überhaupt noch nennenswert stattfand, überwiegend in Stadtrandlagen, vornehmlich in Großraumsiedlungen gefördert. Dies führt zu einer sozialen Entmischung der Stadt. Auf der einen Seite konzentrieren sich soziale Problemlagen und und Armut, während die attraktiven Innenstadtlagen immer mehr Besserverdienenden vorbehalten bleiben. Dem gilt es unter anderem mit dem Instrument des sozialen Wohnungsbaus entgegen zu wirken und dabei spielt die Frage wo sozialer Wohnungsbau gefördert wird eine entscheidende Rolle. Wir setzen uns daher dafür ein, dass sozialer Wohnungsbau vor allem in stabilen heterogenen und in übermäßig von Gentrifizierung betroffenen Quartieren entsteht.

Dies ist im Übrigen, genau die Frage, die ich anlässlich des Kandidatenduells auf Hamburg1 den beiden Bürgermeisterkandidaten Ahlhaus und Scholz gestellt habe.

Können Sie sich vorstellen, auch gestzliche Grundlagen für die Bereitstellung sozialer Gewerberäume zu schaffen, also für ausgewiesene Gewerberaumkontingente, in denen für bestimmte soziale Zwecke und Mietergruppen die freien Marktbedingungen für Gewerberaum reglementiert werden?

Das kann ich mir durchaus vorstellen. Allerdings ist das Mietrecht keine Länderangelegenheit. Trotzdem schlagen wir eine Reihe von Steuerungselementen vor, für die Hamburg sich auf Bundesebene einsetzen soll. Das ist allerdings langwierig und schwierig, deshalb sollte Hamburg sich nicht allein darauf konzentrieren um das angestrebte Ziel zu erreichen. Es ist ja auch ohne Gesetzesänderung auf Bundesebene schon jetzt möglich, dass Hamburg für politisch gewollte soziale Projekte Immobilien und Grundstücke aus städtischem Eigentum marktunabhängig, also vergünstigt anbietet.

Nr.3 Arbeits- und Bildungspolitik
Welche Instrumente und Gesetzesgrundlagen werden Sie in der Bürgerschaft vorschlagen, um die Ausbildungs- und Fortbildungsperspektiven für erwerbstätige und arbeitslose Erwachsene stärker zu fördern und auch finanziell zu unterstützen?

Wir setzen uns zum einen dafür ein die sogenannten „1-EURO-Jobs“ abzuschaffen: „Weiterbildungsmaßnahmen sollen für Arbeitslose frei zugänglich sein, der Arbeitslose soll selbst über die Maßnahme entscheiden. Die Kosten soll die Arbeitsagentur übernehmen. [...]

Das Instrument der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (AGH/MAE = „1-Euro-Job“) ist als gescheitert anzusehen und soll wieder abgeschafft werden. Es darf kein Zwang zur Arbeit geben, zumal da diese AGH oft nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und lediglich der Schönung der Arbeitslosenstatistik dienen.“

Als Arbeitsloser muss man eine freie Wahl an Weiterbildungsmaßnahmen bekommen. Heute finanziert die Arbeitsagentur eine Weiterbildungsmaßnahme nur dann, wenn ihr gerade danach ist oder wenn der "Kunde" belegen kann, dass ein Arbeitgeber bereit ist, ihn nach dem Abschluss der Weiterbildung einzustellen. Der erste Fall führt zu einem willkürlich ausgeübten Zwang auf vermeintlich arbeitsunwillige Leistungsempfänger. Im zweiten Fall hat ein durchaus arbeitswilliger "Kunde" keine Chancen, eine auf dem Markt gefragte Ausbildung zu bekommen.

AGHs bedeuten Arbeitszwang: der Arbeitslose hat keinerlei Möglichkeit sich gegen die Maßnahme zur Wehr zu setzen. AGHs sollen laut Gesetz im "öffentlichen Interesse" sein und die Kriterien der „Zusätzlichkeit“, der „Qualifizierung“ erfüllen. In den meisten Fällen findet keine nennenswerte Qualifizierung statt, Zusätzlichkeit ist oft nicht gegeben, so dass reguläre Arbeitsplätze ersetzt werden oder „Zusätzlichkeit“ kann mit „Sinnlosigkeit“ übersetzt werden und das „öffentliche Interesse“ ist ebenfalls oft arg konstruiert. Hier gewinnen die Arbeitslosen und die Gesellschaft nichts, der Gewinn liegt allein bei den Maßnahmeträgern und in einer frisierten Arbeitslosenstatistik.

Das System der Bildungsgutscheine hat sich aus meiner Sicht ebenfalls nicht bewährt.

Weiterhin setzen wir uns für die kostenlose Nutzung und den Stopp des Rückbaus bzw. den Ausbau der öffentlichen Bücherhallen ein:

„Die Piratenpartei Hamburg setzt sich für die kostenlose Nutzung von öffentlichen Bücherhallen für alle ein. Als ersten Schritt fordern wir, jegliche Gebühren für die Nutzung der vor Ort vorhandenen Bestände der Bücherhallen für die Empfänger von Transferleistungen mit sofortiger Wirkung abzuschaffen. [...]“

Bücherhallen stellen gerade für Menschen mit sehr begrenztem Budget eine Möglichkeit dar, sämtliche Medien zu nutzen. Da das Einkommen von Empfängern von Transferleistungen jedoch so gering ist, dass auch die ermäßigten Gebührensätze eine gravierende Reduzierung des Lebensunterhalts darstellen, fordern wir, dass für diese Gruppe die Gebühren abgeschafft werden. Dies würde die Niederschwelligkeit des Angebots dieser allgemeinbildenden Institution wiederherstellen. Zudem wird den Empfängern von Transferleistungen auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, ein Stück weit am kulturellen Leben teilzunehmen, Interessen zu pflegen und sich weiterzubilden.

Ich persönlich befürworte ebenso den Ausbau und kostenlose Nutzung der Volkshochschulen.

Sowohl die Öffentlichtlichen Bücherhallen als auch die VHS sind freie Bildungsangebote, die wir in Hamburg wieder verstärkt fördern müssen.

Nr.4 Studiengebühren
Wie sehen Sie die Möglichkeiten, die Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen wieder abzuschaffen oder wenigstens deutlich zu senken? Und wie transparent werden Studierende eigentlich über die konkrete Verwendung der Studiengebühren für Zwecke und Mehrwerte in Ihrem eigenen Studium informiert? Müssten die Bildungseinrichtungen, denen die Studiengebühren zukommen hierüber nicht viel intensiver Auskunft geben?

Wir setzen uns klar für die Abschaffung der Studiengebühren ein. Der freie Zugang zu Bildung darf nicht vom eigenen Geldbeutel und schon gar nicht von dem der Eltern abhängen. „Freier Zugang zu Bildung und Information ist das Recht jedes Menschen und eine Grundvoraussetzung für eine fortschrittliche und gerechte Gesellschaft. Bildungsgebühren jeglicher Art schränken hingegen den Zugang zu Bildung ein und machen ihn abhängig von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und dem sozialen Umfeld. Sie sind deshalb kategorisch abzulehnen.“

Auch volkswirtschaftlich ist es unsinnig Fachkräftemangel durch Zugangshürden zu erzeugen. Es ist auch ein Trugschluss zu glauben, die Qualität des Studiums würde so verbessert.

Ich gebe Ihnen auch Recht, dass die Einbeziehung der Studierenden in die Verwendung der Gebühren und die Transparenz zu wünschen übrig lässt. Zwar gibt es zahlreiche Ausschüsse, in denen auch Studierende vertreten sind, die über die Verwendung der Studiengebühren entscheiden, aber wie so oft in der Politik werden Entscheidungen vorher in Hinterzimmern abgesprochen und in den eigentlich zuständigen Gremien nur noch abgenickt. Damit ist die Beteiligung der Studierenden in der Praxis oftmals ausgehebelt.

Für detailliertere Auskünfte würde ich Sie gern an unsere Bildungsexperten Anne Alter und Michael Büker verweisen.

http://www.abgeordnetenwatch.de/anne_alter-294-40399.html

http://www.abgeordnetenwatch.de/michael_bueker-294-40404.html

Für weitere Nachfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß
Andreas Gerhold