Frage an Andreas Fischer von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fischer!
Die Ausschüsse haben – offenbar mit Ihrer Stimme als Berichterstatter – dem Plenum empfohlen, auch bei den Bezirkswahlen das Sitzzuteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer und nicht nach Sainte-Laguë einzuführen, obwohl Sie am 2010-07-16 auf meine Frage http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_andreas_fischer-512-19171--f249174.html#q249174 geantwortet haben, Hare/Niemeyer nur für Gremien zu favorisieren, bei denen kein Alabama-Paradoxon auftreten kann. Bei Bezirkswahlen kann es aber auftreten und wird auch regelmäßig auftreten, solang die CSU bei unter 50% fast alle Stimmkreise gewinnt.
Zudem ist im Gesetzentwurf keine Regel enthalten, wie die Sitzverteilung funktionieren soll, wenn ein Alabama-Paradoxon auftritt. Wie wäre Ihrer Meinung nach die Sitzverteilung bei der Bezirkswahl 2008 in Oberfranken http://bezirk-oberfranken.de/fileadmin/2_Bezirk/bezirkstag/Bezirkswahl.pdf bei Anwendung des Gesetzentwurfs? Nach Art. 42 Abs. 2 Satz 3 LWG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 6 BezWG erhielten die Reps einen Sitz zugeteilt, nach Art. 44 Abs. 2 Satz 2 LWG dagegen nicht. Sollen derartige Fälle nun die Gerichte klären?
Sie wollten beide Systeme "noch einmal einer eingehenden Prüfung durch Fachleute unterziehen". Eine öffentliche Anhörung hat offenbar nicht stattgefunden, und der bayrische Landtag hält leider fast alle Ausschussdokumente unter Verschluss (das Innenministerium hat mir übrigens sogar die Zusendung des Erfahrungsberichts zu den Kommunalwahlen 2008 verweigert). Wer waren die Fachleute, und was haben sie zu den negativen Ausgleichsmandaten bei den Bezirkswahlen und das ebenfalls mögliche damit verbundene negative Stimmengewicht gesagt?
Bemerken möchte ich noch, dass Sainte-Laguë entgegen Ihrer Aussage wie Hare/Niemeyer neutral gegenüber der Parteigröße ist. Bloß kann es da normalerweise nicht passieren, dass wie 2008 in Oberfranken die Reps bei einem Anspruch von 0,30 einen Sitz bekommen und dafür in anderen Fällen selbst bei 0,7 noch nicht.
Sehr geehrter Herr Schneider,
das Alabama-Paradoxon tritt nach meinen Informationen nur bei einer variablen Sitzzahl auf. Wenn wie bei den Bezirkstagswahlen oder allen anderen Wahlen, für die wir Hare-Niemeyer einführen werden, die Sitzzahl vorher feststeht, kann dies nicht passieren. Das Verfahren nach Hare-Niemeyer ist außerdem nach meinem Kenntnisstand das mathematisch exakteste Verfahren und es ist - anders als St. Lague-Schepers - auch für Nichtmathematiker in seiner Berechnung relativ gut nachvollziehbar. Deswegen habe ich mich persönlich nach reiflicher Überlegung für Hare-Niemeyer entschieden und den gemeinsamen Gesetzentwurf von CSU, FDP und Grünen unterstützt.
Im Übrigen sind die praktischen Unterscheide zwischen den beiden Berechnungsformen derart selten, dass ich diese Frage nicht für ein zentrales Problem im Freistaat Bayern ansehe.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Andreas Fischer