Frage an Andreas Fischer von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fischer!
Begrüßenswerterweise sind sich alle Fraktionen einig, dass D´Hondt als Sitzzuteilungsverfahren im Kommunalwahlrecht abgelöst werden soll. Die Freien Wähler haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der stattdessen Sainte-Laguë vorsieht, das heute als Stand der Technik gilt, weil es optimale Erfolgswertgleichheit gewährleistet und keine Paradoxien aufweist.
Wenige Tage später haben FDP und CSU einen konkurrierenden Gesetzentwurf vorgelegt, der stattdessen Hare/Niemeyer vorsieht. Nachdem hierbei entgegen der Koalitionsvereinbarung die Bezirkswahlen ausgenommen bleiben, geh ich davon aus, dass die untragbaren Ergebnisse, die Hare/Niemeyer bei der Anwendung auf die letzten Bezirkswahlen geliefert hätte, aufgefallen sind: In Kombination mit dem dort möglichen Ausgleich kann Hare/Niemeyer negative Ausgleichsmandate und negatives Stimmengewicht verursachen, die einer verfassungsrechtlichen Überprüfung wohl nicht standhalten könnten.
So hätten die Reps 2008 in Oberfranken ein negatives Ausgleichsmandat "bekommen". In Oberbayern wäre negatives Stimmengewicht bei einem hypothetischen Wahlergebnis aufgetreten, bei dem die CSU 9000 Stimmen mehr, die Linke 8000 Stimmen weniger und die NPD 2000 Stimmen weniger bekommen hätte. Weitere 400 Stimmen weniger hätten dann der NPD einen Sitz im Bezirkstag gebracht.
Nun sind die Auswirkungen von Hare/Niemeyer im GLKrWG nicht ganz so krass, aber dennoch bleibt die suboptimale Erfolgswertgleichheit und insbesondere die im Kommunalwahlrecht relevante willkürliche natürliche Sperrwirkung, durch die der erste Sitz zufallsabhängig äußerst billig oder äußerst teuer sein kann. Unter Bedingungen, wie sie kommunal auftreten können (viele Listen, die keinen Sitz erzielen), gewährleistet Hare/Niemeyer im Gegensatz zu Sainte-Laguë auch nicht die Neutralität bezüglich der Parteistärke.
Ich bitte deshalb um Erläuterung, warum Sie dennoch an Hare/Niemeyer festhalten wollen und hoffe, dass FDP und CSU das nochmal überdenken.
Sehr geehrter Herr Schneider,
auch wenn ich kein Mathematiker bin, kann ich Ihnen mitteilen, dass alle Berechnungssysteme Vor- und Nachteile aufweisen. Ein absolut perfektes System besteht nicht. So benachteiligt meines Erachtens das System Saint Lague-Schepers kleinere Gruppierungen, da es sich lediglich um eine "entschärfte" Version von D`Hondt handelt. Das von Ihnen genannte Alabama-Paradoxon bei Hare-Niemeyer ist mir durchaus bekannt, es tritt aber wohl nur auf, wenn die Zahl der zu vergebenden Sitze variabel ist. Bei den Gremien, für die wir Hare-Niemeyer favorisieren, ist dies nicht der Fall, so dass dieser Effekt wohl nicht auftreten kann. Trotzdem werden wir die beiden in Betracht kommenden Systeme noch einmal einer eingehenden Prüfung durch Fachleute unterziehen.