Frage an Andreas Dressel von Wolf L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Dressel,
ich mache mir seit vielen Monaten Sorgen um die sich immer weiter verkleinernden Spielräume der Politik gegenüber den Großkonzernen und Banken. Vor allem habe ich die Sorge, dass die Bürger immer weniger Vertrauen in die Politik und damit gegenüber den Politikerinnen und Politikern haben, wenn sie feststellen, dass die Wünsche der Multinationalen Konzerne mehr zählen als der in Umfragen ermittelte Wusch der Bürger.
Nun kommt meine konkrete Frage:
Wie stehen Sie zu den geplanten Freihandels- und Investitionsschutzabkommen CETA und TTIP?
Wie stehen Sie zur organisierten Entmachtung der Politiker durch Konzernlobbyisten, die dann im "Regulierungsrat" und anderen demokratisch nicht legitimierten Gremien schon mal vorab entscheiden, über was nachher die Abgeordenten noch abstimmen dürfen?
Finden Sie es nicht auch einer Demokratie unwürdig, dass selbst Abgeordnete erst nach Jahrelangen Protesten einen dann auch noch eingeschränkten Zugang zu den verhandelten Texten gewährt wird und dies darüber noch nicht einmal mit anderen reden, geschweige den sich Kopien oder Notizen machen dürfen...?
Beteiligen Sie sich auch an der Verschleierungstaktik von Herrn Gabriel, mit den absurden Behauptungen "TTIP ist schlecht" "CETA ist gut" ?
Oder geht es Ihnen wie 70% der Bürger, die sich in Umfragen gegen die Fortsetzung der Geheimverhandlungen zu TTIP und gegen die vorläufige Inkraftsetzung von wichtigen CETA Regelungen durch die EU Kommission. ?
Klar ist doch : Beide Abkommen sind eine Gefahr für unsere Demokratie, für Sozial- und Umweltstandards, die öffentliche Daseinsvorsorge und die kulturelle Vielfalt.
Wie sehen Sie hier Ihre Aufgabe als gewählter Volksvertreter?
Kann ich damit rechnen, dass Sie im Interesse von Mensch und Umwelt und nicht für den Profit Ihre Stimme erheben?
Mit besorgten Grüßen
W. L.
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Fragen zu den Freihandelsverträgen, die ja weiterhin viele Menschen sehr bewegen.
Das wirtschaftliche Umfeld, in dem wir uns bewegen, ist zunehmend globalisierter und zeichnet sich schon lange durch zunehmende internationale Verknüpfungen und Vernetzungen aus. Die Politik und ihre politischen Entscheidungsträger stehen nun vor der Wahl, die globalen Wirtschaftskräfte ungehindert walten zu lassen oder aber ihnen den eigenen Vorstellungen entsprechende Regeln aufzubürden. Um letztes zu ermöglichen, sind internationale Handelsabkommen ein wirkungsvolles Instrument. Aus unserer Sicht braucht die Globalisierung faire Regeln.
Während die Verhandlungen um TTIP zuletzt ins Stocken geraten sind und sich schwer sagen lässt, welche Kompromisslinien sich – wenn überhaupt – hier finden lassen, liegt zu CETA ein ausverhandelter Vertragsentwurf vor. Wie Sie sicherlich wissen, hat der SPD-Parteikonvent in Wolfsburg kürzlich mit deutlicher Mehrheit dafür votiert, in den parlamentarischen Beratungs- und Ratifizierungsprozess des Freihandelsabkommens mit Kanada einzutreten. Anders als andere Parteien ist die SPD im Vorfeld der notwendigen Debatte nicht aus dem Weg gegangen, sondern hat die verschiedenen Aspekte, Vorteile und Sorgen offen und konstruktiv diskutiert. Bei genauer Betrachtung des Vertragsentwurfes wird deutlich, dass viele der durchaus ernstzunehmenden Sorgen in Bezug auf dieses Abkommen durch das Verhandlungsergebnis ausgeräumt werden können.
So sieht CETA eben keine Entmachtung politischer Entscheidungsträger vor, sondern betont vielmehr vor dem Hintergrund einer freiwilligen regulatorischen Zusammenarbeit der Vertragspartner, dass die regulatorische Hoheit der jeweiligen Parlamente zu keinem Zeitpunkt angetastet werden soll. Auch stellt die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Investitionsgerichtshofes eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zu den bisherigen privatrechtlichen Investitionsschutzbestimmungen zwischen der Europäischen Union und Kanada dar. Die SPD und Bundeswirtschaftsminister Gabriel haben es geschafft, dass das bereits fertig ausgehandelte Handelsabkommen in für uns zentralen Punkten nachgebessert worden ist, wie etwa auch in den Bereichen Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte. Im Hinblick auf die auch von Ihnen angesprochene anfängliche Intransparenz des Verfahrens war es die SPD, die durchgesetzt hat, dass die Versäumnisse der Vergangenheit mit den Anhörungen im EU-Parlament und den nationalen Parlamenten zum Teil ausgeglichen werden.
Die SPD hat stets betont, dass sie deutliche Anforderungen an mit internationalen Partnern zu schließende Freihandelsabkommen stellt. Dieser Standpunkt wurde durch den Beschluss des Parteikonvents am 19. September noch einmal bestärkt und wird in den weiteren parlamentarischen Beratungen Berücksichtigung finden.
Vor diesem Hintergrund bin ich überzeugt, dass die jetzt folgende intensive Befassung der Parlamente der richtige Weg ist und wir am Ende ein sehr gutes Ergebnis für das CETA-Abkommen haben.
Hier ein Gespräch unserer Generalsekretärin Katarina Barley mit dem
Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch mit weiteren Hintergründen und
Positionen der SPD:
http://www.vorwaerts.de/artikel/vorwaerts-gespraech-uns-entscheidung-ceta-leicht
Beste Grüße
Andreas Dressel