Frage an Andrea Ursula Asch von Max E. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Asch,
in Rauschendorf/Königswinter wurde einer Kindergartenleiterin durch den Träger, den katholischen Kirchengemeindeverband, gekündigt, weil sie nach einer Trennung mit ihrem neuen Partner zusammengezogen ist. Der Elternbeirat fordert mit zahlreichen weiteren Unterstützern im Ort, dass die Kündigung der beliebten Erzieherin zurückgenommen wird. Die Eltern halten es für nicht zeitgemäß, dass das Kinderbildungsgesetz in einem solchen Fall keine Einflussmöglichkeiten von Eltern und Kommunen auf die Trägerschaft vorsieht, zumal die Finanzierung in Rauschendorf nur durch Stadt und Eltern erfolgt (die Stadt Königswinter übernimmt den Trägeranteil und zahlt zusätzlich noch 2% für den Verwaltungsaufwand).
Sehen Sie eine Möglichkeit, etwas an diesem Zustand zu ändern und den Eltern zu helfen, ggfs. in anderer Trägerschaft die Leiterin halten zu können? Ist es vorstellbar, eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen herbeizuführen, damit in öffentlich finanzierten Einrichtungen auch die grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte gewährt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Max Ehlers
Hallo Herr Ehlers,
ich möchte mich zunächst einmal entschuldigen, dass ich Ihre Fragen nicht früher inhaltlich beantworten konnte. Wir bekommen jeden Tag eine Fülle von Anfragen die ich mit Unterstützung eines Mitarbeiters mit einer halben Stelle bearbeite. Sie können sich vorstellen, dass es durch die Auflösung des Landtages zu zusätzlichen Verzögerungen kam, um zu einem solchen komplexen Thema, zu dem Sie mir geschrieben haben, angemessen Stellung zu nehmen Grundsätzlich haben wir Grünen und die kirchlichen Vertretungen hier auf Landesebene ein gutes Verhältnis. Es gibt viele Gemeinsamkeiten bei Themen Werteorientierung, Bewahrung der Schöpfung bis hin zu ganz praktischen Dingen wie dem Ladenöffnungsgesetz oder in der Vergangenheit der Abschaffung der Kopfnoten und bei der Kritik am alten Kibiz.
Im Bereich der Kindertagesbetreuung sind die Kirchen in NRW wichtige Aktuere, da sie etwa 50% der Einrichtungen in NRW betreiben, oft in eigenen Räumlichkeiten. Für den Landesgesetzgeber ist dies nicht immer unproblematisch, denn die Machtposition der unterschiedlichen freien und kirchlichen Kindergartenträger gegenüber dem Land, aber auch den Kommunen, ist dadurch natürlich groß. Würden sie sich aus der Kindertagesbetreuung zurückziehen, müssten die Kommunen insgesamt 75% der Einrichtungen also etwa 7000 Einrichtungen übernehmen sowie die Eigenanteile der Träger. Das wäre sehr unrealistisch. Nicht zuletzt wäre es auch mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz unvereinbar, da der Bundesgesetzgeber folgende Vorgabe gemacht hat: "Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen" (§ 4, Absatz 2 des SGB VIII) Resümierend kann man also sagen, dass man im Bereich der Kindertagesbetreuung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen durchaus auf die Kirchen angewiesen ist, die ihrerseits natürlich das Interesse haben, junge Familien an ihre Einrichtungen und damit an die Kirche selbst zu binden.
Wie Sie ja wissen haben die Kirchen verfassungsrechtliche Privilegien, die sich auch im Bereich der Arbeitgeberfunktion auswirken. Hierzu hat es bereits viele Klageverfahren gegeben, die letztlich diese Privilegien bestätigt haben, solange sie in den Verfassungen stehen. Politische Mehrheiten für verfassungsrechtliche Änderungen sind für mich nicht erkennbar. Klar ist, dass dies mit der CDU absolut nicht machbar wäre. Im linken politischen Spektrum wie auch bei uns Grünen gäbe es viele Befürworter für die Abschaffung dieser Privilegien.
Der Umgang mit der Einrichtungsleitung in Königswinter ist absolut kritikwürdig. Landesrechtlich - z.B. über das Kindergartengesetz - ist dem aber nicht beizukommen. Genauso wenig dürfte eine Klage helfen, denn vergleichbare Fälle gab es in der Vergangenheit schon, die leider erfolglos geklagt hatten.
Umso mehr freut es mich, dass auf Initiative der Grünen im Jugendhilfeausschuss von Königswinter der Vertrag mit dem katholischen Kindergartenbetreiber gekündigt wird. Es ist gut, dass die sich Eltern und die örtliche Politik das Verhalten der Kirche nicht haben gefallen lassen. Dies verdeutlicht auch nochmal, wie wichtig das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern ist und dass es durchaus auch erfolgreich sein kann.
Ich persönlich begrüße diese Entwicklung und hoffe, dass sie einen Beitrag dazu leistet, dass die katholische Kirche solche völlig überholten Maßnahmen künftig möglichst nicht mehr ergreift. Jedenfalls werde ich bei Fortsetzung meines Mandats andere Kommunen bzw. grüne Kommunalfraktionen in vergleichbaren Fällen auf das Beispiel Königswinter hinweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Asch