Würde zum Schutz bester Agrarflächen die neue VwV Boden als mögliche gesetzliche Grundlage dienen und diese in die Stufe mit hoher Bedeutung einordnen, bzw. als Vorrangflur in die Regionalplanung?
Wie lässt sich der zunehmende Flächenfraß stoppen?
Am 1.4. trat die neue Verw.-Vorschrift „VwV Standortseignungskartierung und Bodenbilanz“ in Kraft. In der Regional- und Bauleitplanung haben selbst die besten Agrarflächen bisher lediglich eine mittlere Bedeutung mit der Begründung, dass es dafür keine gesetzliche Schutzkategorie gibt.
Gebiete für Landwirtschaft werden lediglich als Vorbehaltsgebiete eingeordnet. Hier haben andere raumbedeutsame Nutzungen bei der Abwägung ein besonderes Gewicht. Gebiete für Landwirtschaft können also „wegabgewogen“ werden. Anders bei Vorranggebieten: hier sind andere raumbedeutsame Nutzungen ausgeschlossen. Dann handelt es sich um Ziele der Regionalplanung, also um verbindliche Vorgaben. Bauleitpläne sind diesen Zielen anzupassen. Würden die besten Agrarflächen der Vorrangflur in der Regionalplanung als Vorranggebiete festgelegt, wären sie damit Ziele der Regionalplanung und könnten damit als verbindliche Vorgaben nicht mehr „wegabgewogen“ werden.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und entschuldigen Sie bitte die späte Rückmeldung. Ich habe mich zu Ihrer Anfrage mit den Fachpolitiker:innen meiner Fraktion ausgetauscht.
Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt: Das mittelfristige Ziel ist die Netto-Null beim Flächenverbrauch, spätestens 2035 soll netto nicht mehr neue Fläche verbraucht werden, als anderswo aus dem Gebrauch genommen wird. Städte und Gemeinden sollen nicht endlos ins Grüne wachsen. Dabei wollen wir Klimaschutz, Wohlstand, Biodiversität und Ernährungssicherheit gleichwertig berücksichtigen und in allen Bereichen Flächeneinsparpotenziale prüfen.
Wir Grüne wollen den Flächenverbrauch senken, Flächeneffizienz erhöhen und Nachhaltigkeit in der Planung und Gestaltung von Flächen (für Wohngebieten, Infrastruktur, Gewerbegebieten, Landwirtschaft) als oberste Priorität verankern.
Zentraler Grundsatz dabei ist Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Vor dem Hintergrund des bestehenden Anspruchs an Fläche für Lebensmittelerzeugung, Wohnraum, Ausbau der Erneuerbaren Energien und Transformation der Mobilität wie auch für die industrielle Transformation wird die Landesregierung ihr Engagement für Innenentwicklung und Flächeneffizienz weiter verstärken und insbesondere die Kommunen bei der Aktivierung ihrer Innenentwicklungspotenziale unterstützen, was Flächen im Außenbereich schont. Bereits jetzt steht ein Instrumentenkasten an verschiedenen Maßnahmen zur Verfügung, der in dieser Legislaturperiode weiterentwickelt wird. Dazu wird die Landesregierung einen Aktionsplan Flächensparen erarbeiten.
Rechtsgrundlagen für die Regionalplanung sind § 13 ff Raumordnungsgesetz (Bund) sowie § 11 ff LandesplanungsGesetz BW. Die Bauleitplanung ist im BauGB (Bund) geregelt. Weitere Regelungen können sich in Fachgesetzen finde, wie z.B. dem NatSchG oder den Vorschriften zur Umweltprüfung. Die Berücksichtigung landwirtschaftlicher Belange wird auch im Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG) BW § 16 (Schutz landwirtschaftlicher Flächen) geregelt. Zu § 16 LLG regelt die VwV „Standorteignungskartierung und Bodenbilanz“ die Behandlung des Flächenschutzes und insbesondere die landwirtschaftliche Wertigkeit von Flächen innerhalb der Verwaltung.
In allen Planungsverfahren sind die Öffentlichkeit sowie die betroffenen Träger öffentlicher Belange zu beteiligen und alle Belange gerecht gegeneinander abzuwägen. Die Schonung insbesondere hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen ist in den o.g. Rechtsgrundlagen als öffentlicher Belang berücksichtigt, als Ziel im Landesentwicklungsplan (übergeordnete Planungsebene des Landes) festgeschrieben (Nr. 5.3.2) und wird in den Verfahren von der Landwirtschaftsverwaltung als Träger öffentlicher Belange eingebracht. Im Rahmen der Abwägungsprozesse in allen Planungsverfahren sind diese Belange vom Planungsträger ggf. gegenüber anderen Belangen abzuwägen.
In § 16 LLG wurden die Ziele des Landes zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen konkretisiert. Nach § 16 Abs. 1 LLG stellen die landwirtschaftlichen Flächen für die Landwirtschaft die zentrale Produktionsressource dar. Besonders geeignete Böden für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung sollen nach Möglichkeit geschont werden. Um diesen Anforderungen, insbesondere mit Blick auf Natur-, Arten- und Landschaftsschutz, die Flächeninanspruchnahme für Bau- und Infrastrukturmaßnahmen und die Notwendigkeit der Nutzung der Böden für die Landwirtschaft, sind Bodenbilanzen und Standorteignungskartierungen wichtige Entscheidungshilfen.
In der VwV Standorteignungskartierung und Bodenbilanz werden diese gesetzlichen Zielsetzungen konkretisiert. Die landwirtschaftlichen Belange fließen in alle Abwägungsprozesse im Zusammenhang mit Flächenneuinanspruchnahmen ein. Die an die Landwirtschaftsverwaltung gerichtete VwV Standorteignungskartierung und Bodenbilanz dient im Wesentlichen diesem Zweck.
Die Landwirtschaftsverwaltung nutzt zur Bewertung landwirtschaftlicher Flächen die Flurbilanz (Standorteignungskartierung) und stellt diese auch den Planungsträgern sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung (https://lel.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Unsere+Themen/Flurbilanz). Die landwirtschaftliche Wertigkeit der Flächen gemäß Flurbilanz ergänzt um örtliche oder aktuelle weitere Beurteilungskriterien ist entscheidender Teil der landwirtschaftlichen Belange, die von der Landwirtschaftsverwaltung in die Verfahren eingebracht werden.
Sehr geehrter Herr K., wir Grüne werden uns auch weiterhin für eine ressourcenschonende Raum- und Siedlungspolitik einsetzen, die die verschiedenen Ansprüche wie Klimaschutz, Wohlstand, Biodiversität und Ernährungssicherheit zukunftsfähig berücksichtigt und die Flächeneinsparpotentiale nutzt.
Es gilt auf kommunaler Ebene, die für die Genehmigung und die Abwägung zuständige Stellen auf ihre Sorgfaltspflicht hinzuweisen, besonders geeignete Böden für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu schonen!
Herzliche Grüße
Andrea Bogner-Unden MdL
Nachtrag:
Am 18.07.2023 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leizig einer Klage des BUND-BW stattgegeben und entschieden, dass der § 13b BauBG (beschleunigtes Verfahren bei Bebauungsplänen ohne Umweltprüfung) nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei. Der Städte- u. Gemeindetag wartet noch die ausführliche Begründung des Gerichts ab. Danach werden sicher viele Bebauungspläne noch einmal überarbeitet werden!
Pressemitteilung des BUND-BW:
Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig: