Ist geplant die Kernfusion in den kommenden Jahren, auch aufgrund neuster Ereignisse, stärker in den Fokus der Finanzierung zu stellen, um unabhängiger von Energielieferanten wie Russland zu werden?
Sehr geehrter Hr. Rainer,
ich bin Schüler der 12. Klasse und mitten im Abitur. Als Präsentationsprüfung wählte ich das Thema der Kernfusion, insbesondere den Stellarator Wendelstein 7-X in Greifswald. Falls Sie zu dessen weiterer Finanzierung auch eine Aussage treffen können, wäre das phänomenal.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse ist erneut eine politische Debatte über die Kernenergie entstanden. Thematisiert wird vor allem die Kernspaltung beziehungsweise der Betrieb der drei übrigen Kernreaktoren in Deutschland.
Der Finanzausschuss hat sich mit dieser Frage bislang noch nicht beschäftigt, da die Zuständigkeit beim Umwelt- und Wirtschaftsausschuss und den entsprechenden Ministerien liegt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) haben am 8. März 2022 einen Prüfvermerk zur Debatte um die Laufzeiten von Atomkraftwerken vorgelegt. Beide Ministerien sprechen sich gegen eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Anlagen aus.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat bei uns in Deutschland eine Energiekrise ausgelöst. Als Unionsfraktion im Deutschen Bundestag fordern wir, die Strategie zur Energieversorgung neu zu bewerten. Der Prüfvermerk der Ministerien greift aus meiner Sicht zu kurz und geht unzureichend auf die Versorgungssicherheit in Deutschland ein. Die aktuellen Ereignisse zeigen uns, dass eine gewisse Flexibilisierung hinsichtlich der Energiegewinnung geboten ist, um sich aus der Abhängigkeit von Russland lösen zu können. Denkbar wäre eine bedingte Weiterführung der drei im Bestand verbliebenen Atomkraftwerke zur Überbrückung, bis genügend alternative Technologien verfügbar sind. Ob sich hierfür eine politische Einigung finden lässt, ist heute noch unklar.
Wenn es um die langfristige Versorgungssicherheit geht, ist die Kernfusion sicherlich ein wichtiger Ansatzpunkt. Der Betrieb des Versuchsreaktors Wendelstein 7-X in Greifswald befindet sich in der Erprobung. Der Bau wurde gemeinsam durch den Bund, die EU und das Land Mecklenburg-Vorpommern finanziert. Für die weitere Finanzierung in Zukunft gibt es noch keinen Beschluss.
Darüber hinaus arbeitet das internationale Forschungsprogramm ITER mit dem gleichnamigen Versuchsreaktor an dem Ziel, die Fusionsenergie weiterzuentwickeln und zu etablieren. Bis 2027 stellt die EU rund 5,6 Milliarden Euro für das Projekt zur Verfügung. Natürlich gibt es auch hier politische Diskussionen über die Wirtschaftlichkeit der Kernfusion. Auch wenn es heute noch keinen Durchbruch gibt, so sehe ich persönlich diese Technologie als Chance mit Zukunftspotenzial.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg für Ihre Abiturprüfungen.
Freundliche Grüße
Alois Rainer, MdB