Frage an Alexandra Dinges-Dierig von Heiner K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dinges-Dierig,
auf meine Frage zur Frauenquote hatten Sie auf das laufende Verfahren verwiesen. M. W. stimmt am Freitag der Bundestag über diesen Gesetzentwurf ab, so dass die Stellungnahmen der beauftragten Ausschüsse vorliegen sollten.
Ich erlaube mir deshalb, meine Fragen zur Frauenquote erneut zu stellen. Gerne will ich auch meine Fragen präzisieren:
Der Gesetzentwurf für eine feste Frauenquote wird begründet wird mit dem Gleichheitsgrundsatz nach GG Art. 3 Abs. 2 Satz 1, der Anzahl der Hochschulabsolventinnen und der Handlungsaufforderung zu gleichberechtigter Teilhabe nach GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2.
Die Fragen:
Was bedeutet die aktuelle Anzahl von Studienabsolventinnen für die Besetzung von Aufsichtsräten, für die m. E. mind. 25-30 Jahre Berufserfahrung erforderlich sind?
In GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ist von gleichberechtigter Teilhabe keine Rede. Wie kommt man zu dieser Interpretation?
Warum wird angenommen, dass die geringe Frauenquote in Aufsichtsräten auf Diskriminierung wegen des Geschlechts beruht?
Verstößt der Gesetzentwurf gegen das AGG, da männliche Bewerber bei der Bewerbung wegen des Geschlechts benachteiligt werden?
Halten Sie den geschlechtlichen Proporz für einen Ausdruck von gesellschaftlicher Gerechtigkeit?
Die Veränderung der Gesetzentwurfes besagt, das eine Förderung für Männer im ÖD nur bei struktureller Benachteiligung erfolgt. Halten Sie es für gerecht, dass bei Frauen eine statistische Unterrepräsentation für eine Förderung ausreicht?
Mit ausdrücklicher Bitte um Antwort:
In Drucksache 12/6000 (Bericht der Verfassungskommission) zur Einfügung des Satzes 2 in GG Art. 3 Abs. 2 steht auf S. 50 links/mitte "Es bestand Übereinstimmung darüber, daß diese Bestimmung eine Frauenförderung in Gestalt sog. starrer Quoten nicht gestattet."
Damit ist der o.g. Gesetzentwurf nach meinem Verständnis nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Wird dies Ihre Abstimmung beeinflussen?
Dank für eine Antwort
Sehr geehrter Herr Köhne,
Ihre Fragen beantworte ich Ihnen gern. Die Einführung gesetzlicher Regelungen für eine Geschlechterquote ist keine ureigene Idee der Christlich- Demokratischen Union gewesen – die nun vorgesehenen Maßnahmen halte ich jedoch angesichts der langen und erfolglosen Phase der Selbstverpflichtungen für den richtigen Schritt.
1) Was bedeutet die aktuelle Anzahl von Studienabsolventinnen für die Besetzung von Aufsichtsräten, für die meines Erachtens mind. 25-30 Jahre Berufserfahrung erforderlich sind
Der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten der großen Unternehmen stagniert bisher bei knapp 20%. In den Vorständen der börsennotierten Unternehmen liegt die Zahl der weiblichen Vorstandsmitglieder bei weniger als 7%. Diese spärlichen Zahlen stehen nicht für einen Mangel an geeigneten Frauen – kompetente Frauen werden meiner Meinung nach einfach nicht genügend berücksichtigt.
Seit ca. 20 Jahren liegen die Zahlen der Studienabsolventinnen in Jura und Wirtschaftswissenschaften gleichwertig bei Männern und Frauen. Laut statistischen Angaben weisen die Frauen im Durchschnitt bessere Abschlüsse vor. Es ist gesellschaftspolitisch nicht zu erklären, dass Frauen, die über 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, nach einer gut abgeschlossenen Ausbildung nur zu diesem sehr geringen Teil in den Führungspositionen der deutschen Wirtschaft vertreten sind.
Für eine Tätigkeit im Aufsichtsrat ist nicht notwendigerweise Branchen- sondern in erster Linie betriebswirtschaftliche Kenntnis notwendig. Ich garantiere Ihnen, dass dafür bundesweit ausreichend kompetente und hervorragend qualifizierte Frauen vorhanden sind.
2) Der Gesetzentwurf für eine feste Frauenquote wird begründet wird mit dem Gleichheitsgrundsatz nach GG Art. 3 Abs. 2 Satz 1, der Anzahl der Hochschulabsolventinnen und der Handlungsaufforderung zu gleichberechtigter Teilhabe nach GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2. In GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ist von gleichberechtigter Teilhabe keine Rede. Wie kommt man zu dieser Interpretation?
Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ergibt sich aus dem inhaltlichen Zusammenhang mit Satz 1: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Um die bestehenden gesellschaftlichen Nachteile für Frauen zu beseitigen, also ihre gleichberechtigte Teilhabe herzustellen, bedarf es staatlicher Unterstützung.
3) Warum wird angenommen, dass die geringe Frauenquote in Aufsichtsräten auf Diskriminierung wegen des Geschlechts beruht?
Ich verweise gern auf eine Studie des DIW Berlin aus dem Jahre 2010, die Sie hier nachlesen können: http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.356535.de/dp1001.pdf
Trotz der guten Abschlüsse und Qualifikationen, gelingt es gut ausgebildeten Frauen nur im Ausnahmefall, in die Top-Führungsebenen großer Unternehmen vorzustoßen. Strukturelle und ideologische Barrieren sind wichtige Faktoren, mit denen Frauen beim Aufstieg in die Führungsetagen konfrontiert werden. Strukturelle Barrieren reichen von einer Personalentwicklungspolitik, die Frauen nur unzureichend fördert bis zur schlechten Vereinbarkeit von Karriere und familiären Verpflichtungen. Eine nun stärkere Repräsentanz von Frauen in Aufsichtsräten könnte dazu beitragen, diese Denkmuster aufzubrechen und so Veränderungen herbeiführen.
4) Verstößt der Gesetzentwurf gegen das AGG, da männliche Bewerber bei der Bewerbung wegen des Geschlechts benachteiligt werden?
Nein. Das AGG steht staatlichen Fördermaßnahmen nicht entgegen.
5) Halten Sie den geschlechtlichen Proporz für einen Ausdruck von gesellschaftlicher Gerechtigkeit?
und
6) Die Veränderung des Gesetzentwurfes besagt, dass eine Förderung für Männer im öffentlichen Dienst nur bei struktureller Benachteiligung erfolgt. Halten Sie es für gerecht, dass bei Frauen eine statistische Unterrepräsentation für eine Förderung ausreicht?
Ziel ist der Abbau von Unterrepräsentanz eines Geschlechts in jedem einzelnen Bereich sowie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit. Im öffentlich-rechtlichen Bereich wird die Bundesverwaltung wird verpflichtet, sich für jede Führungsebene konkrete Zielvorgaben und Maßnahmen zur Erhöhung des Frauen- bzw. Männeranteils zu setzen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat hierbei entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurfs des Bundeskabinetts darauf bestanden, dass in allen wesentlichen Paragrafen das Ziel der Parität entkräftet wurde. Damit kommt das zur Geltung, auf was es ankommt: Frauen zu fördern, wenn sie benachteiligt werden. Nicht Parität ist das Ziel, sondern der Abbau bestehender Ungleichheiten.
Im privaten Bereich haben wir uns auf flexible Zielgrößen für die meisten Unternehmen geeinigt, die von den Unternehmen individuell festgesetzt werden können. Einige Branchen weisen sicher einen geringen Frauenanteil auf, wobei diese Besonderheit nicht für die aufsichtführenden Gremien herangezogen werden kann. Für diese Tätigkeit ist wie gesagt grundsätzliche betriebswirtschaftliche Kenntnis notwendig und hinreichend.
7) In Drucksache 12/6000 (Bericht der Verfassungskommission) zur Einfügung des Satzes 2 in GG Art. 3 Abs. 2 steht auf S. 50 links/mitte "Es bestand Übereinstimmung darüber, daß diese Bestimmung eine Frauenförderung in Gestalt sog. starrer Quoten nicht gestattet." Damit ist der o.g. Gesetzentwurf nach meinem Verständnis nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Wird dies Ihre Abstimmung beeinflussen
Die Frage, inwiefern ein konkretes Gesetz Wortlaut, Sinn und Zweck der Verfassung entspricht, ist eine Entscheidung der Judikative. Hier kann auch die Motivlage bei der Verfassungsgesetzgebung eine Rolle spielen. Für mein Abstimmungsverhalten ist der Wortlaut der Verfassung maßgeblich.
Mit freundlichen Grüßen
Alexandra Dinges-Dierig