Frage an Alexander Ulrich von Marion S. bezüglich Recht
Wie begründen Sie Ihre Zustimmung zum Familiennachzug für Subsidiär Schutzberechtigte? Wieso lehnen Sie eine Förderung der Rückführung ab?
Sehr geehrte Frau S.,
danke für Ihre Frage. Der Familiennachzug ist deshalb sinnvoll, weil er einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten kann. Geflüchtete Menschen, die gemeinsam mit ihrer Familie leben können, tun sich deutlich leichter, sich auch in der Gesellschaft zurecht zu finden, als wenn sie auch noch verschmerzen müssen, keinen richtigen Kontakt zu den eigenen Kindern haben zu können. Das ist für mich eine Frage der Menschlichkeit. Wir reden von etwa 60.000 Angehörigen, meist Frauen und Kinder, die bereits seit zwei Jahren oder länger sehnsüchtig auf die Zusammenführung mit ihren in Deutschland lebenden Angehörigen warten. Es geht also nicht um Zahlen, bei denen man darüber diskutieren muss, ob unsere Aufnahmekapazität überstiegen ist.
Was die Rückführung geflüchteter Menschen angeht, würde ich mehr differenzieren. Ich lehne sie nicht generell ab, es geht darum, unter welchen Umständen eine Rückführung möglich und sinnvoll ist. Hierfür brauchen wir klare Asylregeln. Abschiebungen in Bürgerkriegsgebiete oder Abschiebungen von Menschen, denen in der Heimat Verfolgung oder gar Folter droht, lehne ich selbstverständlich aus humanitären Gründen ab.
Das Problem bei der ganzen Debatte ist doch, dass sie viel zu sehr auf die Frage „Flüchtlinge rein oder raus“ begrenzt wird. Selbstverständlich können wir nicht die Augen verschließen, wenn Menschen vor Krieg und Hunger fliehen und bei uns Hilfe suchen. Selbstverständlich sind aber auch unsere Aufnahmemöglichkeiten begrenzt. Ich bin daher der Meinung, dass wir viel stärker auch andere Ansätze verfolgen müssen: Zum Beispiel Fluchtursachenbekämpfung – das fängt bei einem Verbot von Rüstungsexporten in Krisenregionen an. Es ist schlimm, aber viele Menschen fliehen derzeit auch vor deutschen Waffen. Zudem müssten wir uns viel intensiver um Hilfe für Flüchtlinge in den Regionen bemühen, statt uns nur auf jene zu begrenzen, die den Weg nach Deutschland geschafft haben. Bessere Hilfsangebot in der Region würde auch die Notwendigkeit abbauen, bis nach Westeuropa zu flüchten. Drittens müssen wir dringend die vielen sozialen Probleme in Deutschland angehen – öffentlichen Wohnraum schaffen, Arbeitnehmerrechte stärken, Renten und Arbeitslosengeld verbessern etc. etc. Je besser die soziale Lage im Inland, desto besser sind wir auch in der Lage, anderen Menschen in Not zu helfen. Und viertens müssen wir verstärkt darauf hinarbeiten, dass wir in Europa eine gleichmäßigere Verteilung der Flüchtlinge hinbekommen, auch wenn das politisch nicht ganz einfach ist.
Mit besten Grüßen,
Alexander Ulrich