Frage an Alexander Ulrich von Heiko L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Ullrich
aus aktuellem Anlaß beschäftigt mich die Frage, was die sog. Optionskommunen eigentlich mit den Geldmitteln machen, die sie aus Leistungskürzungen "erwirtschaften" ?
a) erstatten sie die Gelder zurück oder
b) ziehen sie die selbst ab, um ihren eigenen Etat ein wenig aufzufrischen?
Meine Vermutung geht da stark in Richtung b).
Ich habe nirgendwo Informationen darüber gefunden, wie das mit der Geldversorgung der Optionskommunen eigentlich vor sich geht.
Ich stelle mir das so vor, daß die für jeden durch sie "betreuten Kunden" einen Pauschalbetrag bekommen. Wenn nun meine Vermutung stimmt, liegt der Gedanke nahe, daß die oberste Aufgabe dieser Einrichtungen darin besteht, mittels Leistungskürzungen soviel Geld wie möglich zu generieren.
Zumindest eine rhld.-pfälz. Optionskommune macht nach meiner Kenntnis aber auch wirklich NICHTS anderes, als wie "der Teufel der armen Seele", jedem Cent nachzujagen, den sie irgendwie wegkürzen kann.
Im SGB II, § 6b (5) heißt es " Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann von dem zugelassenen kommunalen Träger die Erstattung von Mitteln verlangen, die er zu Lasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat. Der zu erstattende Betrag ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.", und weiter im § 44f (3) "Die Bundesagentur hat die Übertragung der Bewirtschaftung zu widerrufen, wenn die gemeinsame Einrichtung bei der Bewirtschaftung wiederholt oder erheblich gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen hat und durch die Bestellung einer oder eines anderen Beauftragten für den Haushalt keine Abhilfe zu erwarten ist."
Wenn die Optionskommunen nun tatsächlich Geldmittel aus Leistungskürzungen für sich selbst verwenden sollten, müßten diese §§ doch eigentlich greifen.
Meine Frage : Welchen Betrag erhalten die Optionskommunen für den einzelnen "Kunden" pro Monat und was passiert mit den Beträgen aus Leistungskürzungen?
Sehr geehrter Herr Löwen,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 12. Januar 2013, die ich wie folgt beantworten möchte:
Grundsätzlich bestehen bei der Finanzierung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II) zwischen kommunalen Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) und sogenannten Optionskommunen keine Unterschiede. Die Finanzierung des Arbeitslosengeldes II (ALG II) bzw. des Sozialgeldes für nicht Erwerbsfähige (insbesondere Kinder) erfolgt durch Bund und Kommunen. Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit sie von der Bundesagentur für Arbeit in einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit den Kommunen erbracht werden(§ 46 Abs. 1 SGB II). Der Bund trägt auch die entsprechenden Aufwendungen der Optionskommunen (§ 6b Abs. 2 SGB II). Im Gegenzug erhält der Bund einen Aussteuerungsbetrag von der Bundesagentur für Arbeit für Empfänger/innen von Arbeitslosengeld, die anschließend Arbeitslosengeld II beziehen (§ 46 Abs. 4 SGB II). Die Kommunen hingegen tragen grundsätzlich die übrigen Kosten, insbesondere die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Der Anteil des Bundes an diesen Kosten hat sich im Laufe der Jahre kontinuierlich verringert, was erheblich zur Finanznot der Kommunen beigetragen hat.
Der Unterschied zwischen ARGEN (neuerdings Jobcenter) und Optionskommunen besteht hauptsächlich darin, dass Optionskommunen den Bereich Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung in eigener Regie und ohne Unterstützung der Arbeitsagenturen durchführen.
Der von Ihnen zitierte § 6b (5) des SGB II hat nichts mit Leistungskürzungen oder Sanktionen zu tun. Er stellt vielmehr darauf ab, dass Geldmittel des Bundes, die nicht für die Grundsicherung verausgabt wurden, an den Bund zurück zu führen sind. Dieser Paragraph spielt in der Praxis kaum eine Rolle, denn kaum ein Jobcenter bzw. eine Optionskommune erhält tatsächlich mehr Geld, als sie ausgeben.
Spricht ein Jobcenter oder eine Optionskommune Sanktionen und Kürzungen des Regelsatzes aus, werden die betreffenden Finanzmittel im jeweiligen Haushalt des Jobcenters bzw. der Optionskommune einbehalten. Sie fließen nicht zurück an den Bund, zumal mehr als die Hälfte der verhängten Sanktionen in Schiedsverfahren oder letztlich durch Sozialgerichte als rechtswidrig beurteilt werden und somit nachträglich an die Betroffenen ausgezahlt werden müssen.
Die Linksfraktion im deutschen Bundestag fordert seit langem die Einstellung der verfassungswidrigen und menschenunwürdigen Sanktionspraxis. Bundesweit werden ca. 2,5 Prozent aller ALG II - Beziehenden mit durchschnittlichen Kürzungen von 125,- Euro je Monat sanktioniert. Dies ist eine beachtliche Einbuße ihrer Einkommen und bringt schwerwiegende Probleme mit sich. Am stärksten betroffen sind diejenigen, denen die komplette Geldleistung gestrichen wird. Dies waren 2009 126.946 Personen und 2010 131.441 Personen. Im Jahr 2012 sind die Sanktionen nochmals sprunghaft angestiegen und haben die Millionengrenze überschritten.
Die im SGB-II geregelten Sozialleistungen sind der geldwerte Ausdruck des gesetzlich garantierten Existenzminimums. Das Bundesverfassungsgericht hat den „unverfügbaren Anspruch“ dieses Existenzminimums bereits 2010 festgestellt und geurteilt, dass der Staat die gesamte physische Existenz des Menschen, seine zwischenmenschlichen Beziehungen und eine Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu sichern hat. Dieses Urteil wurde im Zusammenhang mit der Anhebung der Sätze im Asylbewerberleitungsgesetz am 18. Juli 2012 vom Bundesverfassungsgericht erneut bestätigt (vgl. BVerfGE 125, 175 und BVerfG, AZ: 1 BvL 10/10, Leitsatz 2).
Die Sanktionen gegenüber Hartz-IV-Beziehern verletzen die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Sie sind verfassungswidrig, weil das Existenzminimum das physische Überleben sichern soll, was eine Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung aller freiheitlichen und sozialen Rechte ist. Diese werden zur Farce, wenn das Existenzminimum durch Kürzungen der Sozialleistung unterschritten wird. Die dahin gehende glasklare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird aus politischen Gründen unter den Teppich gekehrt. In einer namentlichen Abstimmung im Bundestag zu diesem Thema ist aus der Hartz-IV-Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP nur Christian Ströbele seinem Gewissen gefolgt.
Die durchschnittlichen Gesamtaufwendungen des Bundes pro ALG-II-Bezieher lassen sich nur schwer errechnen. Die Gesamtaufwendungen des Bundes setzen sich größtenteils aus den Aufwendungen für die sogenannte Regelleistung – pro ALG II Empfänger 374 Euro – sowie anteiligen Verwaltungskosten zusammen. Gerade die Verwaltungskosten sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen.
Im Bundeshaushalt 2010 sind für die vom Bund zutragenden „Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (SGB II) insgesamt 4,4 Milliarden Euro veranschlagt. Nicht enthalten sind darin die von den Kommunen zu tragenden Verwaltungskosten für die Erbringung der kommunalen Leistungen. Rechnerisch wurden damit im Haushaltsjahr 2009 vom Bund (bezogen auf den jeweiligen jahresdurchschnittlichen Bestand) 626 Euro pro SGB II-Leistungsempfänger (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) bzw. 858 Euro pro Arbeitslosengeld II-Empfänger bzw. 1.183 Euro pro SGB II-Bedarfsgemeinschaft für SGB II-Verwaltungskosten ausgegeben. Die SGB II- Gesamtverwaltungskosten (Bund und Kommunen) betrugen im Haushaltsjahr 2009 rechnerisch 716 Euro pro SGB II- Leistungsempfänger bzw. 981 Euro pro Arbeitslosengeld II-Empfänger bzw. 1.354 Euro pro SGB II-Bedarfsgemeinschaft.
Die Gesamtausgaben des Bundes für Leistungen des SGB II belaufen sich auf rund 25 Milliarden Euro.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Ulrich, MdB DIE LINKE