Frage an Alexander Ulrich von Michael Wantoch von R. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Ulrich,
Ich bin ausdrücklich gegen den föderalistischen Staat, so wie er existiert.
Meiner Meinung nach dient diese ganze Kleinstaaterei nur den pöstchensichernden Politikern und dem Bürokratismus.
Mit den EU - Behörden institutioniert sich mittlerweile ein vierstufiger, lähmender Staatsaufbau.
- die Polizei- und Schulpolitik gehört in die Bundespolitik. Grundsätzlich gibt es in der Landespolitik meist nur zweit- oder drittklassige Politiker, die es nicht auf die bundespolitische Bühne gebracht haben. Solch wichtige Aufgaben wie der Polizei- oder Schulaufbau gehören in die Hände des Bundes, in die Hände unserer (mehr oder weniger) besten Politiker.
- gewaltige Einsparungen durch den Wegfall der Landeinstitutionen und deren ganzen Posten mit Gehältern und Pensionsansprüchen
- viele Bundesländer versuchen sich in Fragen, die eigentlich dem Gemeinwohl unseres Staates dienen, elegant und schmerzfrei aus der Affäre zu ziehen. Siehe den Ankauf einer Steuer - CD durch die baden-würtembergische Landesregierung. Sie ist nicht der Meinung diese CD kaufen zu dürfen. Bayern und Nordrhein - Westfalen lehnen den Kauf mit der Begründung ab schon genug für den gesamtdeutschen Staatssäckel getan zu haben.
- Hessen lehnt die Einstellung von weiteren, dringend benötigten Steuerfahndern ab, da deren Erfolge nur zu einem geringen Teil dem hessischen Landeshaushalt zufließen. Es ist ein Problem dass jedes Land eine Finanzverwaltung hat, die zum größten Teil Bundesmittel verwaltet.
- Durch die Wahl in NRW werden wichtige bundespolitische Entscheidungen aufgeschoben. Es herrscht Dauerwahlkampf.
Mich interessiert Ihre Meinung und (falls nicht deckungsgleich) die der Linken.
Ich lasse mich auch gerne eines Besseren belehren.
Mit freundlichem Gruß
Michael Wantoch von Rekowski
Sehr geehrter Michael Wantoch von Rekowski,
die Bundesrepublik Deutschland ist nach Art. 20 Grundgesetz ein föderaler Staat. Da dieser Grundgesetzartikel der sog. "Ewigkeitsgarantie" aus Art. 79 GG unterfällt, sind alle politischen Forderungen, den föderalen Staatsaufbau abbzuschaffen, verfassungswidrig. Sie sind auch daher für die Linke keine Grundlage für eine seriöse Debatte zur Perspektive des deutschen Föderalismus. Wir können auch dem Argument, dass durch einen Wegfall der Länderverwaltungen "gewaltige" Einsparungen nicht folgen. Die Länderetats, die 2009 einen Gesamtumfang von ca. 286 Mrd. Euro hatten, werden zu großen Teilen für die Ausführung von Bundesgesetzen etwa im Sozialbereich und für Bildung, öffentliche Sicherheit, Kultur, Verkehr sowie Zuschüsse an die Kommunen etc. ausgegeben. Der Anteil der für die Ministerialebene aufgewandten Mitteln macht nur dagegen einen Bruchteil aus, der übrigens auch auf der Ebene der Modellannahme nicht als Einsparung betrachtet werden kann, die Bildung neuer Verwaltungseinheiten zur Wahrnehmung dann auf den Bund übertragener Aufagben unabdingbar wäre.
Gleichwohl sind aus Sicht der Linken viele Kritiken an den praktischen Unzulänglichkeiten des deutschen Föderalismus höchst berechtigt. Die Föderalismusreformen I und II, die in den Jahren 2006 und 2009 durch Bundestag und Bundesrat beschlossen wurden, haben aus Sicht der Linken wenig an den drängenden Problemen geändert. Insbesondere im Bereich der Bildungspolitik- und Wissenschaftspolitik sind die ohnehin schwachen Bundeskompetenzen weiter beschränkt worden, außerdem wurde auf Initiative der CDU/CSU mit einem sog. Kooperationsverbot in Art. 104b GG dem Bund untersagt, den Ländern Finanzhilfen für Investitionen im Bildungsbereich zu geben. Die Linke meint, dass dieser Art von Bildungskleinstaaterei durch die Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz wirksam begegnet werden muss. Auch das von Ihnen angesprochene Problem in der Steuerverwaltung beschäftigt uns und wir haben deswegen in der Föderlalismuskommission II auch den Vorschlag unterstützt, einen einheitliche Bundessteuerverwaltung einzuführen. 16 eigenständige Steuerverwaltungen der Länder sind nach Ansicht auch unserer Fachleute bei der Bewältigung vieler Probleme etwa bei der Gewährleistung gleichmäßiger und gerechter Standards in der Steuerprüfung oder auch der Bekämpfung von für das Gemeinwesen höchst schädlicher Formen grenzüberschreitender Steuerkriminalität nicht mehr zeitgemäß.Darin waren wir uns auch mit der SPD und den Grünen in der Kommission einig; allerdings wurde dieser Vorschlag aufgrund der Blockade durch die CDU/CSU und eine Mehrheit der Länder nicht weiterverfolgt. Ein Vorgang, der auch aus heutiger Sicht kritikwürdig bleibt, da mit einer Bundesteuerverwaltung mittelfristig bis zu 11 Mrd. Euro Mehreinnahmen möglichen wären. Aus diesen Beispielen ziehen wir den Schluß, dass nicht eine Debatte über die Abschaffung des Föderalismus oder die Anzahl der Bundesländer zielführend ist, sondern die es um Maßnahmen gehen muss deren unmittelbarer praktischer Nutzen für das Gemeinwesen erkennbar ist. Das bedeutet mehr Kooperation und eine sinnvolle Verbesserung der Aufgabenverteilung im Bundestaat.Und das heißt auch mehr Kompetenzen des Bundes für gesamtnationale Aufagben wie die Bildung. Nicht näher treten können wir dagegen Vorschlägen einer Zentralisierung der Polizei, da dies aus unserer Sicht keinen Nutzen für die Kriminalitätsbekämpfung hat. Zu ihrem letzten Einwand, das Föderalismus Dauerwahlkampf bedeutet: Wir haben gegen häufige Wahlen nichts einzuwenden, sie folgen aus dem Demokratieprinzip, dass wir in keiner Weise beschränkt sehen wollen. Die gelegentlich aufkommende Debatte, dass es in Deutschland zu häufig und zu viele Wahlen gäbe, können wir nichts abgewinnen, da sie aus unserer Sicht auf eine Bevormundung der Wähler hinausläuft.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Ulrich