Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es schnellstmöglich verboten wird, Mieter per Zwangsräumung in die Obdachlosigkeit zu räumen, obwohl sie ihre Mietschulden innerhalb der Schonfrist bezahlt haben?
Sehr geehrter Herr Becker,
in Bergisch Gladbach gibt es eine außerordentlich hohe Zahl von Räumungsurteilen und Zwangsräumungen, selbst bei schwerer psychiatrischer Erkrankung - z.B. einer schweren Depression - der Mieter. Gleichzeitig gibt es große Wohnungsnot und zu hohe Mieten. Ferner gibt es menschenunwürdige Verhältnisse in Notunterkünften für wohnungslose Menschen. Immer mehr einkommensarme Menschen konkurrieren um immer weniger bezahlbare Wohnungen. Ein gesetzliches Verbot, Mieter per Zwangsräumung in die Wohnungslosigkeit oder gar Obdachlosigkeit zu räumen, obwohl sie ihre Mietschulden innerhalb der Schonfrist vollständig bezahlt haben ("Schonfristzahlung"), ist dringendst erforderlich und war bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vereinbart. Werden Sie sich persönlich für ein schnellstmögliches Verbot einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen

Sehr geehrter Herr W.,
ich musste erst noch ein wenig recherchieren, bis ich mir zu dem Thema eine Meinung bilden konnte und diese Recherche hat meinen ersten Impuls, der eine klare Zustimmung war, verändert.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle gemeinsam kranken Menschen helfen müssen. Dafür sind in erster Linie die Menschen in unserem Gesundheitssystem und unserer Verwaltung zuständig. Das Mietrecht ist stark reglementiert und komplex, aber soweit ich es verstanden habe, ist es ohnehin nicht erlaubt Menschen fristlos „Zwangszuräumen“ die ihre Mietschulden innerhalb der Schonfrist bezahlt haben. Davon unberührt bleibt eine eventuell ebenfalls ausgesprochene ordentliche Kündigung. Diese halte ich auch in dem von Ihnen beschriebenen Fall für vertretbar. (https://www.gevestor.de/finanzwissen/immobilien/vermieten-abrechnen/schonfrist-bei-raeumungsklage-713741.html )
Begründung:
Ich bin selbst Vermieter und habe bisher meist das Glück gehabt mit meinen Mietern und Mieterinnen, mit denen ich Tür an Tür, beziehungsweise „gegenüber“ lebe sehr gut auszukommen. Ich habe jedoch auch schon erlebt, wie es ist, wenn man sich mit Mietern nicht versteht, wenn man jeden Monat der Miete hinterherlaufen muss und wenn man sich ständig fragt, wie man mit einer Person umgeht, von der man sich ausgenutzt und missachtet fühlt. Ob dieses Verhalten von einer psychischen Erkrankung herrührt, ist für Vermieterinnen und Vermieter nicht so einfach erkennbar.
Es ist per Gesetz, und das ist gut so, sehr schwierig ein solches Mietverhältnis, dass einem als Vermieter täglich Stress bereitet, aufzulösen. Eine fristgerechte ordentliche Kündigung, der einige Hürden entgegenstehen, halte ich in diesem Fall dennoch für vertretbar. Ich würde mich zwar äußerst schwer damit tun, jemanden einfach so auf die Straße zu setzen, wenn aber Mieter, egal ob durch Krankheit verursacht oder nicht monate- oder sogar jahrelang, immer wieder ihren Pflichten nicht nachkommen und ihren Mietzins nicht zahlen, dann muss es auch für Vermieter die Möglichkeit geben dieses „ungesunde“ Mietverhältnis ungeachtet der Folgen für die Mieterin zu beenden.
Wir alle sollten kranken Menschen helfen, aber ich halte es für problematisch, wenn diese Hilfe auf dem Rücken von Vermieterinnen und Vermietern lastet, ohne dass man ihnen die Chance lässt das abzulehnen. Bitte bedenken Sie, dass nicht alle Vermieterinnen große Immobilienfirmen sind, sondern oft auch Privatleute wie ich, die auf die Mietzahlungen angewiesen sind.
Wir sollten also als Gemeinschaft lieber die Anzahl und Qualität der Notunterkünfte und der medizinischen Hilfen in dem von Ihnen beschriebenen Fällen erhöhen als ein Problem auf eigentlich unbeteiligte Dritte „abzuwälzen“.
Ich hoffe Sie verstehen meine Perspektive und würde mich freuen, wenn Sie mir Rückmeldung geben, wenn ich Ihrer Meinung nach Dinge übersehen habe oder es eine Perspektive gibt, die Sie mir zusätzlich aufzeigen können.
Alex Becker