Das erste, was man im Wirtschaftsunterricht lernt, sind die Vorteile eines Staates, der antizyklisch investiert. Warum hält Ihre Partei trotzdem an der Schuldenbremse fest?
Sehr geehrter Herr Engelhard,
vielen Dank für Ihre Arbeit.
In der Promenade kommt es immer wieder zu Diskussionen:
Warum darf der Staat nicht investieren? Niemand kann sich so billig Geld leihen wie der Staat. Die Renditeversprechen sind unglaublich hoch. Warum das Festhalten an dieser Form der Schuldenbremse in Zeiten der Rezession? Warum muss die Bildung der Kinder leiden, weil die Politik "für die Kinder" spart? Wie sollen diese Kinder mit einem Pisa-Ergebnis von 475 in Zukunft jeweils die Rentenzahlungen von 2-3 Personen tragen?
Kein Unternehmen expandiert und wächst nennenswert mit gespartem Geld, warum also der Staat?
Warum werden Wohnungsbauziele verfehlt, statt einfach selbst zu bauen?
Die aktuelle Inflation ist nachweislich ein Preisschock und die Geldmengenausweitung fließt ins Ausland ab. Warum folgt Deutschland nicht dem Beispiel Japans, das uns mit seiner Überalterung ein Vorbild sein könnte für den Umgang mit dieser Situation in der Zukunft?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Sehr geehrter Herr M.,
die CDU/CSU-Fraktion steht hinter staatlichen Investitionen, jedoch unter der Bedingung, dass sie langfristig, nachhaltig und verantwortungsvoll sind, um kommende Generationen nicht übermäßig zu belasten. Es ist wichtig zu betonen, dass die Schuldenbremse den Staat keineswegs daran hindert, zu investieren. Artikel 115 GG bietet dem Bund ausreichend Spielraum für solche Investitionen. Dennoch ist entscheidend, dass Investitionen verantwortungsbewusst getätigt werden und eine sorgfältige Planung mit klaren Prioritäten erforderlich ist. Ein Aspekt, dem die Bundesregierung bisher nicht ausreichend nachgekommen ist. Zudem zeigt sich, dass Länder mit Schuldenbremsen tendenziell ein höheres Wachstum aufweisen.
Grundsätzlich unterstütze ich Ihre Aussage, dass antizyklisches Investieren ein sinnvolles Instrument für einen Staat sein kann, jedoch nur, wenn das Geld, das investiert werden soll, vorher gespart wurde. Leider übersteigen die Ausgaben der Regierung die Einnahmen. Im Haushalt für 2024 beläuft sich das Defizit auf -49,354 Milliarden Euro, wobei die Einnahmen lediglich 427,453 Milliarden Euro gegenüber den Ausgaben von 476,808 Milliarden Euro stehen. Diese ungleiche Bilanz führt zu einer anhaltenden Verschuldung des deutschen Staates, die im September 2023 bereits 64,8 % des Bruttoinlandsprodukts erreichte und somit 2,5 Billionen Euro entsprach.
Eine fortgesetzte Verschuldung hätte negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit Deutschlands zur Folge. Dadurch würde es teurer für den Staat werden, Kredite aufzunehmen und Investitionen zu tätigen. Zusätzlich haben sich die Zinsausgaben innerhalb von nur zwei Jahren drastisch erhöht und belaufen sich mittlerweile auf etwa 40 Milliarden Euro, wobei aufgrund der aktuellen hohen Zinssätze mit weiteren Steigerungen zu rechnen ist. Diese Ausgaben fehlen dem Staat, um seine grundlegenden Aufgaben zu erfüllen und verringern den langfristigen Spielraum für Investitionen.
Dabei unterscheidet sich ein Staat grundlegend von einem Privatunternehmen, da er keine Kunden hat, die mit ihren Käufen die Schulden begleichen. Er gleicht eher einem großen Familienhaushalt, da die Zinsen von den Familienmitgliedern selbst getragen werden müssen. Das Ziel ist nicht die Expansion des Staates, da die Staatsquote, also der Anteil des BIP, der vom Staat durch Steuern und Subventionen umverteilt wird, schon jetzt sehr hoch ist.
Zu Ihrer Frage bezüglich der Investitionen in Schulen muss ich Ihnen sagen, dass der Bund traditionell eine begrenzte Rolle in der direkten Finanzierung von Schulen hat, da die Bildungspolitik und -finanzierung hauptsächlich in der Zuständigkeit der Länder liegt. Zudem glaube ich, dass die Renten vor allem unter der immer älter werdenden Bevölkerung und dem Mangel an Fachkräften, die so nicht in das Rentensystem einzahlen, leiden. Ein kapitalbasiertes Rentensystem ist dem demografischen Wandel besser gewachsen. Es bedarf politischen Willens, die strukturellen Probleme anzugehen, insbesondere im Rentensystem, um den Haushalt zukunftsfest zu machen.
Die Baukosten pro Quadratmeter im Geschosswohnungsbau lagen im Median zuletzt bei circa 3.500 Euro. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 48,5 Quadratmetern pro Kopf und einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,03 Personen würde allein die Schließung der Lücke zwischen den tatsächlich gebauten 210.000 und den geforderten 400.000 Wohnungen Kosten in Höhe von 65,5 Milliarden Euro verursachen. Dies wird als finanzpolitisch bedenklich angesehen. Eine Lösung könnte darin bestehen, Standards, Vorschriften und Genehmigungsverfahren deutlich zu vereinfachen, um den Bau sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen wieder attraktiver zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Engelhard