Portrait von Achim Post
Achim Post
SPD
93 %
27 / 29 Fragen beantwortet
Frage von Gerhard K. •

Frage an Achim Post von Gerhard K. bezüglich Finanzen

Warum wird die Steuerpflicht an den Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt angeknüpft und nicht (wie in den USA) an die Staatsangehörigkeit? Macht man es den Leuten, die in Deutschland viel Geld verdient haben und dann in die Schweiz ziehen, nicht zu leicht?

Portrait von Achim Post
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Finanzen.

Sie haben Recht: Mit der Wohnsitzaufgabe unterliegt nicht mehr das gesamte Welteinkommen des Steuerpflichtigen der Besteuerung in Deutschland (Welteinkommensprinzip), sondern nur noch inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG. Hier liegt der Unterschied zu den USA: Egal wo ein US-Bürger lebt, inländisches sowie ausländisches Einkommen muss in den USA versteuert werden.

Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung, hat Deutschland mit vielen Staaten (auch mit der Schweiz) Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, in denen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Vertragsstaaten ihre Besteuerungsrechte beschränken. Das Welteinkommensprinzip wird deshalb in erheblichem Maße durchbrochen.

In der Praxis besteht zwischen Deutschland und der Schweiz für die meisten Einkunftsarten das Prinzip der Freistellung mit Progressionsvorbehalt. Das bedeutet einerseits, dass der Wohnsitzstaat die ausländischen Einkünfte von der Steuer freistellt, für die das andere Land das Besteuerungsrecht hat. Andererseits unterliegen diese Einkünfte aber im Wohnland dem Progressionsvorbehalt: Zur Bestimmung des Steuersatzes werden die Gesamteinkünfte (inländische und ausländische) der steuerpflichtigen Person zusammengerechnet; der so ermittelte erhöhte Steuersatz wird dann auf das im Wohnland zu versteuernde Einkommen angewandt.

Die Freistellung mit Progressionsvorbehalt wird international (außer in den USA) oft verwendet. Das bedeutet aber nicht, dass Vermögende sich ihrer steuerlichen Verantwortung einfach so entziehen können.

Wichtig ist bei der Beurteilung zum Beispiel, dass keine Gründe oder Annahmen für eine Kapitalflucht vorliegen.

Im Doppelsteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz wird auch noch mal genauer zwischen verschiedenen Einkunftsarten unterschieden: Wenn jemand in Deutschland viel Geld gemacht hat, muss zwischen den verschiedenen Formen, in denen dieses Vermögen vorliegt, differenziert werden. Unbewegliches Vermögen - wie beispielsweise Immobilieneinkünfte - können grundsätzlich nur in dem Land besteuert werden, in dem sich die Immobilie befindet.

Gegen einen Übergang zur Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit sprechen aus meiner Sicht folgende Gründe:

· Der Systemwechsel könnte nicht einseitig von Deutschland vollzogen werden. Es wäre eine Abstimmung innerhalb der EU und eine Neuverhandlung der allermeisten Doppelbesteuerungsabkommen erforderlich.

· Es würde ein immenser zusätzlicher Bürokratieaufwand entstehen. Die deutsche Finanzverwaltung müsste Millionen zusätzlicher Steuerfälle bearbeiten. Bei diesen zusätzlichen Steuerfällen würde es sich zum einen um in Deutschland ansässige Ausländerinnen und Ausländer handeln, die künftig ein Recht darauf hätten, dass ihre in Deutschland gezahlten Steuern auf ihre Steuern im Heimatland angerechnet werden. Zum anderen würde es sich um Deutsche mit Wohnsitz im Ausland handeln, die derzeit nicht als beschränkt Steuerpflichtige geführt werden, da sie keine Einkünfte in Deutschland erzielen.

· Die Durchsetzung des deutschen Steueranspruchs gegenüber dem Ausland wäre kaum möglich. Die mangelnde Durchsetzbarkeit des Besteuerungsrechts würde dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung widersprechen und hätte deshalb vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand.

Mit freundlichen Grüßen

Achim Post

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Achim Post
Achim Post
SPD