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Ampel bringt Reform des Lobbyregister

Lobbyregister 2.0? Volle Lobbytransparenz gibt es immer noch nicht

Das Lobbyregister gibt es in Deutschland seit 2022. Viel Transparenz über die Lobbyeinflüsse auf Gesetze bringt es aber nicht. Das wollen die Ampelparteien – wie in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt – nun ändern und bringen am Freitag, den 23. Juni 2023, einen neuen Gesetzentwurf zum Lobbyregister in den Bundestag ein. Wir haben vorab einen Blick darauf geworfen und ein Fazit gezogen.

von Lisa Böhm und Till Rose, 22.06.2023
geheimer-Lobbyismus

Ja, es gibt ein Lobbyregister in Deutschland, oder besser gesagt: Online ist eine Liste der Lobbyist:innen, die gegenüber dem Bundestag, der Bundesregierung oder den Ministerien ihre Interessen vertreten, zu finden. Zu einem echten Register hat bisher noch einiges gefehlt. Das wollen die Ampelparteien mit ihrem neuen Gesetzentwurf ändern. Gelungen? Die Änderungen sind ein wichtiger und großer Schritt in die richtige Richtung – zur vollen Transparenz fehlen jedoch noch einige Reformen.

Was ändert sich mit dem neuen Gesetzentwurf?

  • In Zukunft müssen Interessenvertreter:innen angeben, auf welche Gesetzesvorhaben konkret sie mit ihrer Lobbyarbeit Einfluss nehmen. Gegebenenfalls sollen dazugehörige Gutachten oder Stellungnahmen auf der jeweiligen Registerseite hochgeladen werden. Für Bürger:innen wird es so besser nachvollziehbar, wer an der Entstehung eines Gesetzes beteiligt war. Diese Erweiterung des Gesetzes begrüßen wir.
  • Zukünftig müssen konkrete Auftraggeber:innen und finanzieller Aufwand der Lobbyaktivitäten angegeben werden, ebenso wie das konkrete Gesetzesvorhaben. In unseren Recherchen stoßen wir oft auf intransparente Lobbybeauftragungen, die es für Bürger:innen unmöglich machen, nachzuvollziehen, wer ursprünglich Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen wollte. Lobbyist:innen sind also für ein Unternehmen tätig, welches sich wiederum für die Interessen eines anderen Unternehmens einsetzt. Dies ist aktuell durch sogenannte „Kettenbeauftragungen“ möglich. Der neue Gesetzentwurf soll diese nun verhindern.

  • Mit dem neuen Gesetzesentwurf wird auch der sogenannte „Drehtüreffekt“ transparenter – Wechsel von der Politik in die Lobbyarbeit sollen damit sichtbar werden. Zukünftig müssen Interessenvertreter:innen angeben, wenn sie in den letzten fünf Jahren für das Parlament oder die Regierung tätig waren. Denn sie verfügen oft über gut gefüllte Adressbücher und starke Netzwerke, die sie für Lobbyarbeit versilbern und damit einzelnen Unternehmen exzellente Kontakte verschaffen. Dadurch entsteht eine unfaire Einflussnahme für diese Unternehmen gegenüber anderen Akteuren. Nach dem neuen Gesetzesentwurf kann dies nun nicht mehr unauffällig durch die Hintertür geschehen, sondern wird für alle deutlich sichtbar. Eine Regelung über notwendige Karenzzeiten wird allerdings nicht eingeführt.

  • Neu ist auch, dass Aufsichtsräte, die Lobbyarbeit tätigen, nicht mehr von der Eintragung befreit sind. Außerdem soll es nun deutlicher werden, wie viel Arbeitskraft einzelne Unternehmen auf Lobbyarbeit verwenden, indem die Anzahl der eingesetzten Vollzeitstellen zur verpflichtenden Angabe wird.

  • Im aktuellen Lobbyregister können sich Interessenvertreter:innen der Angabe ihrer Finanzen noch entziehen und ihre Angaben verweigern. Das hat zwar Konsequenzen, jedoch keine schwerwiegenden. Zukünftig wir das nicht mehr möglich sein. Die Option der Verweigerung wird nicht mehr existieren. Budgets müssen nun verpflichtend offengelegt werden.

Trotz vieler positiver Verbesserungen gibt es noch Lücken, die es in der Zukunft zu füllen gilt:

  • Der anzuzeigende Austausch mit Regierungsvertreter:innen in Ministerien bleibt auf der Ebene der Referatsleiter:innen und wird nicht auf die Referent:innen-Ebene gesenkt, was viel mehr Transparenz bringen würde. Denn Gesetze entstehen im Besonderen auf der Ebene der Referent:innen.

  • Noch zentraler: Die einzelnen Kontakte zwischen Lobbyist:innen und Politik müssen laut Gesetzesvorschlag nicht offengelegt werden. Mit den neuen Verschärfungen wissen wir zwar, welche Lobbyist:innen über was sprechen – wir wissen jedoch nach wie vor nicht, mit wem genau aus Parlament, Regierung und Ministerien sie sich austauschen. Diese Angaben sind maßgeblich für vollständige Transparenz.

Zum Gesetzentwurf auf der Seite des Bundestags.

Was hatte die Ampel versprochen?

Im Koalitionsvertrag schrieben SPD, Grüne und FDP noch Ende 2021: „Wir werden […] Kontakte zu Ministerien ab Referentenebene einbeziehen […].“

Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesen Versprechen nicht gerecht. Der Entwurf sieht vor, den Kreis der einzubeziehenden Kontakte nur auf die Referatsleitung zu erweitern.

Weiter schrieb die Ampel: „Wir wollen durch mehr Transparenz unsere Demokratie stärken. […] Für Gesetzentwürfe der Bundesregierung und aus dem Bundestag werden wir Einflüsse Dritter im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzvorhaben und bei der Erstellung von Gesetzentwürfen umfassend offenlegen (sog. Fußabdruck).“

Ein solcher Fußabdruck wird für uns erst sichtbar werden, wenn die konkreten Kontakte zwischen Lobbyist:innen und Politik offengelegt werden. Solange das nicht gelingt, bleibt auch dieses Versprechen auf der Strecke.

Unsere gesamte Prüfung des Koalitionsvertrags anhand Transparenzthemen können Sie hier nachlesen.

Welche Schritte müssen noch folgen?

Um vollständige Transparenz zu erreichen, sollten auch einzelne Kontakte von Lobbyist:innen offengelegt werden. Jede Kontaktaufnahme muss für Bürger:innen mit der Angabe, um welches Thema es sich handelt, nachvollziehbar sein.

Wir bei abgeordnetenwatch.de begrüßen die Verschärfung des Lobbyregisters. Es ist jedoch essentiell, dass Verstöße auch geahndet werden – eine umfangreiche Prüfung ist unumgänglich. Um eine solche zu garantieren, fordern wir eine eigenständige und neutrale Prüfinstanz. Außerdem muss es klare Sanktionen bei Verstößen gegen die neuen Regeln geben. Diese konnten wir im Gesetzentwurf der Ampelfraktionen nicht finden.

Die Neuerungen im Gesetzesentwurf schließen viele Lücken im aktuellen Lobbyregister. Vollständige Transparenz kann es jedoch nur mit einer klarer Offenlegung aller Kontakte geben.
 

Video: Lobbyregister - Reform mit Lücken
[Um das Video zu sehen müssen Sie es unter Umständen zunächst über den Schieberegler aktivieren.]

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