Bislang waren es die Lobbyisten von Unternehmen, Agenturen oder Anwaltskanzleien gewohnt, ungehindert in den Bundestagsbüros der Abgeordneten ein und aus zu gehen. Am Empfang zeigten sie ihren Hausausweis vor - und schon öffneten sich ihnen alle Türen.
Das geht demnächst nicht mehr. Nach Informationen von abgeordnetenwatch.de aus Parlamentskreisen wird der Ältestensrat ein Hausausweisverbot für Unternehmenslobbyisten beschließen [Nachtrag: Dies ist inzwischen geschehen]. Interessenvertreter, die nicht im Auftrag eines Verbandes tätig sind, sollen künftig keine Zugangsscheine mehr beantragen können. Sie erhalten nur noch mit einem Tagespass einen zeitlich begrenzten Zugang zum Bundestag, was zudem bedeutet, dass sie sich nicht mehr frei im Parlament bewegen dürfen. Ein Abgeordneter bzw. dessen Mitarbeiter muss die Lobbyisten künftig am Empfang abholen - so wie andere Besucher auch. Über die geplante Neuregelung berichtet auch der Tagesspiegel.
Geplant war zunächst kein generelles Hausausweisverbot
Die neue Regelung kommt durchaus überraschend. Zuletzt hatte es noch so ausgesehen, als dürften Unternehmenslobbyisten auch weiterhin Hausausweise erhalten, allerdings sollte die Vergabepraxis transparenter werden. Im Gespräch war, dass Konzernvertreter sich als Voraussetzung für die Ausstellung eines Hausausweises in eine öffentliche Liste eintragen müssen, wie es Verbandslobbyisten bereits jetzt tun. Damit sollte die seit Jahren gültige Geheimregelung beendet werden, die Lobbyisten erlaubt, durch die Unterschrift eines Parlamentarischen Geschäftsführers an einen Hausausweis zu gelangen. Dass eine solche Zugangsmöglichkeit besteht, hält der Bundestag vor der Öffentlichkeit geheim. abgeordnetenwatch.de hatte die diskrete Vergabepraxis, die in den internen "Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften" geregelt ist, im Juni 2015 öffentlich gemacht.
Mit dem Ausschluss der Unternehmenslobbyisten von der Hausausweisvergabe reagiert der Ältestenrat u.a. auf die erfolgreiche abgeordnetenwatch.de-Klage, die zur Offenlegung der Hausausweisinhaber geführt hat. Vergangenes Jahr musste die Bundestagsverwaltung nach mehreren Gerichtsurteilen mitteilen, welchen Interessenvertretern die Fraktionen einen Hausausweis verschafft haben. Die mediale Berichterstattung und die von rund 150.000 Menschen gezeichnete abgeordnetenwatch.de-Petition "Geheime Lobbykontakte offenlegen!" hatte die Diskussion über geheimen Lobbyismus neu entfacht und einen Handlungsdruck auf die Fraktionen erzeugt. Insbesondere die Union, die mehr als die Hälfte aller Hausausweise bewilligte und sich bis zuletzt gegen die Herausgabe ihrer Lobbykontakte gewehrt hatte, ließ die Veröffentlichung in keinem besonders guten Licht erscheinen.
Interessenvertreter werden sich andere Wege suchen - deswegen braucht es ein wirksames Lobbyisten-Register
Der Ausschluss von der Hausausweisvergabe gilt allerdings nur für Interessenvertreter von Unternehmen, Agenturen oder Kanzleien; Verbandslobbyisten sollen auch weiterhin einen Zugangsschein zum Bundestag erhalten können, wenngleich nur noch max. zwei statt wie bisher fünf. Begründet wird die Unterscheidung zwischen Unternehmens- und Verbandslobbyisten damit, dass Verbände unterschiedliche Interessen bündelten. In der Tat macht es einen Unterschied, ob sich ein Großkonzern wie Daimler, Volkswagen oder BMW für politische Entscheidungen einsetzt, die im eigenen (ökonomischen) Interesse liegen, oder ob dies zum Beispiel der Verband "Gesamtmetall" tut. Denn beim Arbeitgeber-Dachverband der Metallindustrie sind von kleinen und mittelständischen Betrieben bis zu Milliardenkonzernen ganz unterschiedliche (und mitunter auch gegensätzliche) Interessen organisiert - sie alle muss der Verband berücksichtigen, wenn er für seine Mitglieder in Berlin als Interessenvertreter auftritt.
Dass Konzernlobbyisten künftig nicht mehr nach Belieben im Bundestag ein und aus gehen dürfen, ist eine gute Nachricht und zeigt, was sich durch öffentlichen Druck aus der Zivilgesellschaft erreichen lässt. Doch die Lobbyisten werden sich andere Wege suchen, um Politik im eigenen Interesse zu beeinflussen. Deswegen ist das Hausausweisverbot auch nur ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem weitreichenden und verbindlichen Lobbyisten-Register. Unser Ziel ist es, dass Interessenvertreter öffentlich mitteilen müssen, in wessen Auftrag sie arbeiten, an welchen Gesetzentwürfen sie mitwirken und mit welchen Politikern sie sich wann und zu welchem Thema getroffen haben. Hierzu haben wir die Petition "Geheimen Lobbyismus stoppen!" gestartet. Bitte zeichnen und teilen Sie diesen Appell an unsere Bundestagsabgeordnete - mehr als 90.000 Menschen haben dies bereits getan.