"Skandale, Intransparenz und übersteigerter Lobbyismus schaden der Glaubwürdigkeit und Integrität von Politiker/innen," finden die Abgeordneten Marco Bülow (SPD) und Gerhard Schick (Grüne) und haben deswegen im März einen "Verhaltenskodex für Abgeordnete des Deutschen Bundestages" vorgestellt.
Doch bei ihrer Fraktionsführung kam der öffentliche Vorstoß gar nicht gut an. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann twitterte:
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, teilte via Twitter mit:
Der SPIEGEL umschrieb die intern geäußerte Meinung des grünen Rechtspolitikers Jerzy Montag zur Transparenzinitiative seiner Parlamentskollegen sogar mit den Worten: "Unnötig, gefährlich und abstoßend."
Doch einschüchtern ließen sich Bülow und Schick nicht - und haben heute eine Liste mit 33 Bundestagsabgeordneten präsentiert, die sich dem Transparenzkodex freiwillig unterwerfen (Liste siehe unten).
Mit Unterzeichnung des Kodex verpflichten sich die Abgeordneten, freiwillig u.a.
- ihre Nebeneinkünfte komplett offen zu legen und zu begrenzen,
- ihre Dienstreisen und Lobbytermine transparent zu machen,
- nach der Beendigung der Abgeordnetentätigkeit für mindestens drei Jahre keiner Tätigkeit für Unternehmen, Verbände oder andere Organisationen nachzugehen, die zu einem erheblichen Teil aus Lobbyarbeit besteht,
- jede Geldspende und geldwerte Zuwendungen über 1.000 Euro sowie den Namen des Spenders veröffentlichen,
- von Unternehmen und Lobbyisten keine Geschenke oder Essenseinladungen über einem Wert von 100 Euro anzunehmen,
- Einsicht in ihren Steuerbescheid zu geben (unter Schwärzung der privaten Daten).
"Mit dem Kodex wollen wir eine Chance bieten, wieder für mehr Vertrauen zu werben und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen," schreibt Bülow in einer Pressemitteilung. Es handele sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung, "die weit über die bestehenden, völlig unzureichenden Regularien hinausgeht". "Dies ist umso wichtiger, weil die Regierungsmehrheit alle Anträge und Gesetzesvorstöße zu dem Thema ablehnt und leider auch Siegfried Kauders Initiative nicht unterstützt."
Erst gestern hatten CDU/CSU und FDP das Thema Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung für diese Wahlperiode endgültig beerdigt. Selbst eine Initiative ihres Koalitionskollegen Siegfried Kauder (CDU), dem Rechtsausschussvorsitzenden, ließen die Abgeordneten von Schwarz-Gelb ins Leere laufen.
Auch andere Gesetzesanträge, die Transparenz schaffen und Korruption vorbeugen sollen, hatten insbesondere CDU/CSU und FDP in den vergangenen Wochen und Monaten abgelehnt:
- die komplette Offenlegung von Nebeneinkünften auf Euro und Cent,
- ein Verbot bzw. die Begrenzung von Parteispenden durch Unternehmen,
- die Nennung der Branche, in der Abgeordnete als freiberufliche Berater tätig sind,
- die Einführung einer Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder, um einen nahtlosen Übergang als Lobbyist für einen Konzern zu unterbinden (aktueller Fall: Eckart von Klaeden/Daimler)
Statt zu warten, bis sich im Parlament eine Mehrheit findet, sind 33 Abgeordneten (das entspricht Fraktionsstärke) nun voran geprescht.
Bisherige Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:
- Agnes Alpers
- Marco Bülow
- Eva Bulling-Schröter
- Edelgard Bulmahn
- Petra Crone
- Michael Groß
- Wolfgang Gunkel
- Gabriele Hiller-Ohm
- Ulla Jelpke
- Lukrezia Jochimsen
- Uli Kelber
- Katja Kipping
- Daniela Kolbe
- Katrin Kunert
- Caren Lay
- Sabine Leidig
- Ralph Lenkert
- Hilde Mattheis
- Ulrich Maurer
- Manfred Nink
- Jens Petermann
- Richard Pitterle
- Sönke Rix
- René Röspel
- Gerhard Schick
- Swen Schulz
- Frank Schwabe
- Petra Sitte
- Kersten Steinke
- Sabine Stüber
- Kirsten Tackmann
- Kathrin Vogler
- Waltraud Wolff
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