"Bitte veröffenlichen Sie Ihre Gespräche mit Lobbyisten (mindestens derer mit Hausausweis für den Bundestag aber gern auch derer ohne) in 2015", lautete der Appell eines Bürgers, den er am Montag via abgeordnetenwatch.de an seine drei Wahlkreisabgeordneten richtete. Und auch über die genaue Form hatte sich der Bürger Gedanken gemacht: Er bat um Mitteilung von Datum des Treffens, Namen des Lobbyisten sowie Dauer und Inhalt des Gesprächs.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Ute Bertram, eine der drei befragten Volksvertreter, antwortete auf das Anliegen des Bürgers mit einem einzigen Satz:
In den Sozialen Netzwerken sorgte diese Antwort für einiges Unverständnis. Drei Beispiele:
Dutzende Male wurde die Antwort der niedersächsischen Bundestagsabgeordneten bei Facebook und Twitter kommentiert, mehr als 800 Bürgerinnen und Bürger verbreiteten sie.
Sehr viel ausführlicher war dagegen, was die beiden anderen Parlamentarier aus dem Wahlkreis Hildesheim dem Fragesteller mitteilten.
Die Grünen-Politikerin Brigitte Pothmer verzichtete in ihrer Antwort wegen des Arbeitsaufwandes auf eine detaillierte Offenlegung ihrer Treffen mit Lobbyisten, verwies aber auf ihre Homepage. Dort dokumentiere sie ihre Termine - "und dazu zählen auch die Gespräche mit Verbänden". Weiter schrieb Pothmer:
"Was die Inhalte meiner Verbandsgespräche betrifft, so kann ich zusammenfassend sagen, dass ich ausschließlich über die Themen spreche, die den Kern meiner politischen Arbeit betreffen: Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik, Ausbildung. Dazu findet stets ein fachlich-kritischer Austausch, z.T. auch einfach eine persönliche Information über die jeweilige Position zu bestimmten politischen Themen statt. Für weitergehende Kontakte zu Verbänden habe ich - schon aus Gründen des hohen Arbeitsaufkommens und der Termindichte - keine Kapazität."
Bernd Westphal von der SPD wollte dagegen keine Angaben zu Treffen mit Lobbyvertretern machen, weder in seiner Antwort noch auf der eigenen Homepage: "Meine Gesprächslisten mit Lobbyisten werde ich allerdings nicht veröffentlichen." Auf das Thema ging er in seinem Antwortschreiben dennoch ein:
"Ich bekomme eine Reihe von Terminanfragen und habe in einer Berliner Sitzungswoche durchschnittlich ca. 20 Termine mit Personen oder Institutionen, die bestimmten Partikularinteressen zuzuordnen sind. Bei der Terminvergabe bin ich nicht parteilich, sondern versuche allen gerecht zu werden. Zu meinen Gesprächspartnern gehören Umwelt- und Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen genauso wie Wirtschaftsverbände und Unternehmervertreter."
Nachdem es zahlreiche kritische Nachfragen zu ihrer "Daran denke ich gar nicht"-Antwort gegeben hatte, äußerte sich auch Ute Bertram inhaltlich. Einem Bürger schrieb sie:
"Ihre Frage nimmt jedoch Bezug auf eine konkrete Frage, die von Misstrauen getragen wird, obwohl der Fragesteller mich überhaupt nicht kennt. Er hat mir nur aufgrund meiner Eigenschaft als Abgeordnete indirekt unterstellt, ich könnte bei meinen Entscheidungen käuflich sein. Damit wird zugleich eine Situation geschaffen, in der ich beweisen soll, dass ich mich als Volksvertreterin anständig verhalten habe; ein konkretes Verhalten wurde überhaupt nicht angesprochen.
Selbst wenn ich die Liste meiner Gesprächspartner und die Inhalte der Gespräche veröffentlichen würde, bliebe noch Raum für Verdächtigungen und Unterstellungen, wenn diese nicht widerlegbar sind. Beweisen Sie einmal, dass etwas nicht ist!"
Allerdings verkennt Frau Bertram, dass sie mit ihrer Antwort nicht ganz unwesentlich zu dem entstandenen Misstrauen vieler Menschen beigetragen hatte. In einer repräsentativen Demokratie, in der Abgeordnete die Bürgerinnen und Bürger repräsentieren, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass sich der Souverän dafür interessiert, was seine Vertreterinnen und Vertreter tun - und dazu gehören auch Fragen nach Treffen mit Interessenvertretern.
Dass es in Sachen Transparenz auch anders geht, zeigen zum Beispiel zahlreiche Bundestagsabgeordnete, die ihre Treffen mit Lobbyisten freiwillig aufführen oder ihre Steuerbescheide für jeden einsehbar ins Netz stellen.
In den vergangenen Monaten hat abgeordnetenwatch.de mit einer Klage gegen den Deutschen Bundestag dazu beigetragen, dass nun zumindest bekannt ist, welche Lobbyisten über einen Hausausweis Zugang zum Parlament verfügen, also auch zu den Büros von Frau Bertram, Herrn Westphal und Frau Pothmer. Doch die Offenlegung der Lobbyistennamen ist nur ein erster, wichtiger Meilenstein. Nun geht es darum, ein verpflichtendes und öffentliches Lobbyregister einzuführen, in das sich Lobbyisten mit Angaben zu ihren Auftraggebern, ihren Lobbybudgets und den Treffen mit Abgeordneten eintragen müssen.
Fragen Sie doch einmal ihre Wahlkreisabgeordneten, welche Meinung Sie zu mehr Lobbytransparenz haben. Zum Frageportal...
Jan Wunder, Martin Reyher