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Transparenzblockade von Bundestag und Regierung: Warum sich Hartnäckigkeit lohnt

Immer wieder müssen Bürger und Journalisten ihr Auskunftsrecht gegenüber Bundesregierung und Bundestag erst einklagen. Nun hat das Innenministerium vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere Schlappe einstecken müssen. Das Urteil stärkt das Recht auf Informationszugang und zeigt: Hartnäckigkeit gegenüber Behörden zahlt sich aus. Vier Beispiele, bei denen Bürger und Journalisten vor Gericht siegten.  

von Martin Reyher, 25.10.2016
Walnüsse (Symbolbild Informationsfreiheitsgesetz)

 

CC0

Wenn es darum geht eine unbequeme Anfrage abzuwimmeln, greifen manche Ministerien gerne zur Gebührenkeule. 500 Euro verlangte vor einiger Zeit das Bundesbildungsministerium, als abgeordnetenwatch.de eine Aufstellung seiner PR-Aufträge anforderte. Dass die horrenden Gebühren lediglich der Abschreckung dienen sollten zeigte sich, als wir nach dem tatsächlich entstandenen Verwaltungsaufwand fragten. Auf einmal war von Gebühren keine Rede mehr.

Weitaus schwieriger hatten es die Journalisten Daniel Drepper und Niklas Schenck, denen das Bundesinneministerium vor fünf Jahren einen Gebührenbescheid über sage und schreibe 15.000 Euro zustellte. Die beiden Reporter hatten Einsicht in insgesamt 100 Akten beantragt, mit denen sie später belegen konnten, wie Millionen Steuergelder im deutschen Spitzensport verteilt werden. Durch die Recherche kam außerdem ans Licht, wie der Deutsche Olympische Sportbund einzelne Sportverbände mit unrealistischen Medaillienerwartungen – sogenannten „Zielvereinbarungen“ – unter Druck setzte.

Die Gebühren aber mussten die die freien Journalisten zu einem Großteil aus eigener Tasche bezahlen. Sie klagten und haben am vergangenen Donnerstag nach jahrelangem Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht recht bekommen: Die Gebühren des Bundesinnenministeriums hatten eine abschreckende Wirkung und waren daher rechtswidrig.

Wir haben gegen das Innenministerium gewonnen. 15.000 Euro Gebühren waren unrechtmäßig. Später mehr @correctiv_org. https://t.co/FzR0Y64wdC

— Daniel Drepper (@danieldrepper) 20. Oktober 2016

Wo Bürger vor Gericht siegten

Das höchstrichterliche Urteil stärkt unser aller Recht auf Informationszugang. Wer bei einer Behörde eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellt, braucht künftig keine Gebühren von mehreren Tausend Euro zu fürchten. Denn von nun an gilt: Wenn es bei der Anfrage um ein bestimmtes Thema – juristisch gesprochen: einen „Lebenssachverhalt“ – geht, darf eine Behörde maximal 500 Euro verlangen.

Das Beispiel der beiden hartnäckigen Journalisten zeigt einmal mehr, dass Beharrlichkeit sich auszahlt. Schon in den Vorjahren hatten Gerichte immer wieder festgestellt, dass Bundesregierung und Bundestag die Auskunftsanträge von Bürgern zu unrecht abgelehnt haben. Drei Beispiele:

  • Gästeliste des Ackermann-Geburtstags im Kanzleramt
    2008 hatte Kanzlerin Angela Merkel zum 60. Geburtstag des damaligen Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann ein Festessen im Bundeskanzleramt ausgerichtet. Die Gästeliste und weitere Details zur steuerfinanzierten Geburtstagsfeier wollte das Kanzleramt geheim halten – zu Unrecht, wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2012 nach der Klage eines Bürgers urteilte. Die Bundesregierung musste die Informationen herausgeben.
     
  • Hausausweise von Lobbyisten
    Über die Fraktionen konnten Lobbyisten jahrelang unerkannt an einen Bundestagshausausweis gelangen. Welche Interessenvertreter auf diese Weise Zugang zum Parlament erhielten, wollte die Parlamentsverwaltung gegenüber abgeordnetenwatch.de nicht sagen; unser Auskunftsrecht mussten wir deswegen erst vor Gericht einklagen. Die Bundestagsverwaltung habe „rechtswidrig“ gehandelt, als sie uns die Herausgabe der Namen verweigerte, so das Berliner Verwaltungsgericht im Juni 2015. Auch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg unterlag der Bundestag nach der presserechtlichen Eilklage einer Zeitung. Ende 2015 musste die Parlamentsverwaltung die Lobbyliste mit den Namen von über 400 Unternehmen, Verbänden und Organisationen zähneknirschend herausgeben. Als eine Konsequenz wurde die Vergabe von Lobbyisten-Hausausweisen über die Fraktionen abgeschafft.
     
  • Offenlegung von tausenden Bundestagsgutachten
    Jahrelang hatte der Bundestag ein Gutachten zum Thema UFOs unter Verschluss gehalten – rechtswidrig, wie das Bundesverwaltungsgericht 2015 nach der Klage eines Bürgers urteilte. Auch das Gutachten, aus dem der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für seine Doktorarbeit abkupferte, musste der Bundestag nach der Klage eines Journalisten offenlegen. Inzwischen gibt die Parlamentsverwaltung die Gutachten nicht mehr nur auf Anfrage heraus, sondern stellt sie von sich aus ins Netz. Auch dies geschah nicht aus freien Stücken, sondern bedurfte erst des öffentlichen Drucks durch die Kampagne FragDenBundestag, für die abgeordnetenwatch.de und die Organisation FragDenStaat.de in diesem Jahr den Otto Brenner Preis erhalten.

90.000 Euro kosteten die Spezialanwälte des Bundestages

Dass Bundesregierung und Bundestag immer wieder Auskunftsrechte verletzen und auf diese Weise Transparenz verhindern, ist das eine. Besonders ärgerlich ist es, wenn wir Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern am Ende für die teuren Spezialanwälte der Behörden aufkommen müssen. Mehr als 90.000 Euro zahlte die Bundestagsverwaltung beispielsweise einer Kanzlei, um die Herausgabe des UFO- und des Guttenberg-Gutachtens zu verhindern.

Wie hoch die Anwaltshonorare waren, haben wir über eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz in Erfahrung gebracht – vollkommen kostenlos übrigens. Gebühren verlangte die Bundestagsverwaltung für die Information nicht.

Über die Plattform unseres Partners FragDenStaat.de können Sie ganz einfach Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an eine Behörde stellen. Für die Informationen verlangen Behörden in aller Regel keine Gebühren. Sollten Kosten anfallen, muss Sie die Behörden darüber vorher informieren. In diesem Fall können Sie ihre IFG-Anfrage noch immer kostenfrei zurückziehen.

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