Wenige Monate nach seinem Rücktritt als schleswig-holsteinischer Innenminister Ende 2014 hatte Andreas Breitner (SPD) auch schon eine neue Tätigkeit gefunden - als Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen. Das Pikante daran: Als Minister war Breitner selbst für den Wohnungsbau zuständig.
Kritik an dem Seitenwechsel wurde nicht nur in der Öffentlichkeit laut, auch aus der eigenen Partei kamen kritische Stimmen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig zeigte wenig Verständnis, und SPD-Landeschef Ralf Stegner kündigte im September 2014 eine Karenzzeitregelung an: "Die SPD wird im Landtag eine Initiative dazu starten."
Gesetzentwurf liegt vor - aber nicht von der Koalition
Ein solcher Gesetzentwurf liegt dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtages tatsächlich vor. Er stammt allerdings nicht von der SPD oder der Regierungskoalition, sondern von den PIRATEN. Die Oppositionsfraktion fordert darin eine Sperrfrist von drei Jahren für Minister, die eine Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes aufnehmen wollen, wenn diese im Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit steht. Dadurch solle bereits der Anschein vermieden werden, dass eine im Amt getroffene Entscheidung mit der neuen Tätigkeit im Zusammenhang steht. Eine weitreichende Karenzzeitregelung würde die Glaubwürdigkeit der Politik und das Vertrauen der Bürger stärken, finden die PIRATEN.
Eine Entscheidung über den Gesetzentwurf ist allerdings nicht in Sicht. Bereits im Oktober 2014 wurden die Beratungen des Innen- und Rechtsausschusses mit der Begründung vertagt, dass ein weiterer Gesetzentwurf zum selben Thema erwartet werde. Doch den gibt es bislang nicht. Nachdem die Verhandlungen mehr als ein Jahr nicht vorankamen, beantragten die PIRATEN im Februar diesen Jahres die Wiederaufnahme der Beratungen über ihren Gesetzentwurf. Dieser Antrag wurde von der Ausschussmehrheit abgelehnt, eine inhaltliche Befassung mit dem Thema vertagt.
Daraufhin beantragten die PIRATEN, über ihren Karenzzeiten-Antrag im Plenum abzustimmen, allerdings vergeblich. Eine breites Bündnis aus SPD, Grünen, SSW, CDU und FDP wies dieses Ansinnen wegen eines vermeintlichen „Bruchs mit parlamentarischen Gepflogenheiten“ ab. Politik bestehe nicht darin, "anderen seine Dinge aufzwingen zu wollen, sondern Kompromisse zu finden", sagte der innen- und rechtspolitische Sprecher der Grünen, Burkhard Peters.
Schleswig-Holstein hinkt bei Karenzzeiten und Nebeneinkünften hinterher
Auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Birgit Herdejürgen, man habe gegen den PIRATEN-Antrag gestimmt, da die "übrigen Fraktionen ein Interesse an einer einvernehmlichen Lösung haben" und es noch Klärungsbedarf in Einzelfragen gebe.
Patrick Breyer von den PIRATEN vermutet vielmehr, dass durch die Konsenssuche "eine wirksame Lösung von vorneherein unmöglich gemacht wird." In der Tat sind nicht alle Fraktionen von der Notwendigkeit einer strikten Karrenzzeitregelung, wie sie die Piraten fordern, überzeugt. Eine FDP-Sprecherin erklärte gegenüber abgeordnetenwatch.de, dass es für "Grenzüberschreitungen auch bereits Regelungen" gebe. Zudem sei "eine voreingenommene Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten oder die private Verwertung von Amtswissen nach Beendigung des Amtsverhältnisses zunächst die absolute Ausnahme".
Schleswig-Holstein hinkt bei der Auszeit für Minister anderen Ländern und auch dem Bund hinterher. Vergangenes Jahr hatte die Bundesregierung nach langem Widerstand ein entsprechendes Gesetz verabschiedet und auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel Hamburg, gibt es bereits entsprechende Vorgaben.
Auch bezüglich der Offenlegung von Nebeneinkünften kommen SPD, Grüne und SSW nicht voran. Schleswig-Holstein ist eines der wenigen Bundesländer, in dem es für Abgeordnete keinerlei Veröffentlichungspflichten für Nebeneinkünfte gibt - obwohl SPD, Grüne und SSW es 2012 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben.
Update vom 20.7.2016
In dieser Woche haben SPD, Grüne und SSW nun einen Vorschlag zur Änderung des Gesetzentwurfes der Piraten vorgelegt.
Statt einer dreijährigen Karenzzeit, wie sie die Piraten fordert, halten die Regierungsfraktionen eine zweijährige Sperrfrist für ausreichend. Laut Änderungsantrag habe der Ministerpräsident eine Beschäftigung zu untersagen, soweit die neue Tätigkeit mit dem früheren Amt in der Landesregierung im Zusammenhang steht "und aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte die dringende Sorge besteht, dass durch sie amtliche Interessen beeinträchtigt werden." Was genau das bedeutet, bleibt aber unklar. Die von den Piraten geforderten Veröffentlichungspflichten von Nebeneinkünften sind in dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen nicht mehr vorgesehen.
Marthe Ruddat