Mit den Kampagnen von abgeordnetenwatch.de können Sie sich direkt an die Politik wenden. So machen wir gemeinsam Druck für mehr Transparenz in der Politik, mehr Bürgerbeteiligung und frei zugängliche Informationen.

abgeordnetenwatch.de macht internationale Korruptionsprüfer auf Missstände in Deutschland aufmerksam

Regelmäßig wird Deutschland vom Europarat für das Versagen bei der Korruptionsbekämpfung gerügt, jetzt hat die Staatengruppe erneut eine Prüfkommission nach Berlin geschickt. Von abgeordnetenwatch.de und zwei anderen Organisationen wollten die Korruptionswächter wissen, was hierzulande im Argen liegt - das Treffen verließen sie mit prall gefüllten Notizblöcken.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 12.03.2014

„Allgemein unbefriedigend“: Seit Jahren lässt die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) mit Urteilen wie diesem kein gutes Haar an den Fortschritten, die Deutschland bei der Korruptionsbekämpfung macht - und demnächst droht der nächste blaue Brief. Denn was abgeordnetenwatch.de und Vertreter von Lobbycontrol und Transparency International gestern im Bundesjustizimisterium in Berlin den GRECO-Prüfern vortrugen, war eine lange Liste an Missständen, die in den nächsten Prüfbericht einfließen dürften.

Auf dieser Mängelliste steht zum Beispiel das kürzlich beschlossene Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung. abgeordnetenwatch.de wies die vierköpfige GRECO-Delegation darauf hin, das die deutschen Volksvertreter ein gravierendes Schlupfloch in den Gesetzestext eingebaut haben: Ein korrupter Abgeordneter kann nämlich nur dann juristisch belangt werden, wenn er "im Auftrag oder auf Weisung" gehandelt hat - ein solcher Nachweis ist in der Praxis jedoch so gut wie nicht zu erbringen.

 

Ausriss Gesetzestext

Auch an einer anderen Stelle haben die Bundestagsabgeordneten beim Gesetzestext vor allem an sich selbst gedacht, wie abgeordnetenwatch.de den GRECO-Prüfern veranschaulichte: Ursprünglich sollte das Gesetz zur Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung sofort in Kraft treten, so jedenfalls stand es im Entwurf vom 11. Februar 2014. In dem beschlossenen Gesetzestext findet sich aber plötzlich eine großzügig bemessene Übergangsfrist: Das Anti-Korruptionsgesetz soll nun erst zum 1. September 2014 wirksam werden, um so "die Umstellung auf die neue Rechtslage zu erleichtern", heißt es jetzt. Uns erscheint dies vielmehr als eine Schonfrist für Volksvertreter, um in aller Ruhe die eigenen Geschäfte regeln zu können.

Dringenden Reformbedarf mahnten wir auch beim Thema Nebeneinkünfte an. Vor einiger Zeit hatte abgeordnetenwatch.de am Beispiel von Peer Steinbrück nachgewiesen, dass trotz der verschärften Transparenzregeln nachwievor über die Hälfte seiner Vortragshonorare im Dunkeln bleiben würden. Von 1,25 Millionen Euro, die Steinbrück in der vergangenen Legislaturperiode an Honoraren kassierte, müsste er mit den neuen, weiterhin unzureichenden Offenlegungspflichten gerade einmal 622.000 Euro veröffentlichen. abgeordnetenwatch.de sprach sich gegenüber den GRECO-Prüfern für eine Komplettoffenlegung der Nebeneinkünfte auf Euro und Cent aus und verwies auf Großbritannien, wo Parlamentarier außerdem detaillierte Angaben zum zeitlichen Umfang ihrer Nebentätigkeiten machen müssen. So ließe sich für Bürgerinnen und Bürger zum einen ermessen, ob das Abgeordnetemandat tatsächlich im Mittelpunkt der Tätigkeit steht, wie es das Abgeordnetengesetz verlangt. Zum anderen können die Höhe der Nebeneinkünfte und der zeitliche Umfang einer Tätigkeit wichtige Anhaltspunkte für mögliche Interessenskonflikte liefern.

Doch was helfen strengere Transparenzregeln, wenn nicht einmal die bestehenden durchgesetzt werden? abgeordnetenwatch.de erinnerte gestern gegenüber der GRECO-Delegation an den Bundestagsabgeordneten Michael Fuchs, dessen langjährige Nebentätigkeit für einen von MI6-Agenten gegründeten Privatnachrichtendienst erst durch unsere Recherchen ans Licht gelangt war. Gegenüber der Bundestagsverwaltung hatte der CSU-Fraktionsvize mehrfach unvollständige Angaben zum Namen des Unternehmens gemacht und dies auf "Platzprobleme" in einer Exceltabelle [sic!] geschoben. Von Bundestagspräsident Norbert Lammert werden derlei fragwürdige Ausreden offenbar hingenommen. Sanktionen gegen Michael Fuchs, auch wegen wiederholter Verstöße gegen die Transparenzpflichten, sind jedenfalls nicht bekannt.

Die vier GRECO-Vertreter aus Österreich, Frankreich, der Schweiz und Kroatien notierten sich außerdem die Kritik der anwesenden NGO-Vertreter an

  • fehlenden Karenzzeiten für Politiker, die - wie Roland Pofalla und Eckart von Klaeden - nach Ausscheiden aus dem Amt unverzüglich als Lobbyisten in die Wirtschaft wechseln können,
  • einem fehlenden verpflichtenden Lobbyregister,
  • der vollkommenden Intransparenz bei den Millioneneinnahmen, die die Parteien aus Sponsoring erzielen.

Im Herbst soll der insgesamt vierte GRECO-Evaluierungsbericht vorliegen. Dass die Korruptionswächter darin zu einer anderen Bewertung kommen als in der Vergangenheit, ist nicht zu erwarten. Deutschland dürfte weiter unter denjenigen GRECO-Mitgliedsstaaten sein, die bei der Korruptionsbekämpfung die Hände in den Schoß legen - ungeachtet jeder öffentlichen Rüge durch die Staatengruppe.

Peinlich.

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

Jetzt Petition unterzeichnen