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Yasmin Fahimi
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Frage von Adam T. •

Das Werbeverbot für Abtreibung ist im Geiste der Aufklärung falsch. Würden Sie bei der nächsten Abstimmung von ihrer Enthaltung absehen und für die Abschaffung stimmen?

Sehr geehrte Frau Fahimi,

dieses Thema wird sehr emotional geführt, aber sachlich beurteilt, sollte jede Frau selbstverständlich selbst über ihren Körper bestimmen können und daher auch nicht gehindert werden, sich gut darüber zu informieren, falls sie sich zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließt.
Da Männer nun von Natur aus kein Kind in ihrem Körper heranziehen können, sollten sie die Beantwortung dieser Frage allein den Frauen überlassen. Daher wäre es meiner Meinung nach nur folgerichtig, dass nur der weibliche Teil des Bundestages stellvertretend für alle Frauen im Land über diese Frage abstimmt. Stimmen Sie diesem Argument zu?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr T.,

zunächst möchte ich Ihnen beipflichten, dass das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft gehört. Dafür haben wir uns als SPD-Bundestagsfraktion stets stark gemacht und dazu unter meiner persönlichen Beteiligung ein Positionspapier verabschiedet, welches die Streichung des entsprechenden Paragraphen 219a aus dem Strafgesetzbuch vorsieht. Gern übersende ich Ihnen nachfolgend unsere darin enthaltenen Forderungen.

"Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion: §219a aus dem Strafgesetzbuch streichen (Auszug)
Die Verurteilung von Ärzt:innen auf Grundlage des § 219a StGB macht deutlich, dass die erhoffte Rechtssicherheit durch die Reform im Jahr 2019 nicht eingetreten ist. Durch die Reform sollte es Ärzt:innen möglich gemacht werden, öffentlich ohne Risiko der Strafverfolgung über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren. Zudem wurde das Schwangerschaftskonfliktgesetz dahingehend geändert, dass die Bundesärztekammer nun eine zentral verwaltete Liste mit Ärzt:innen führt, welche einen Abbruch durchführen. Die Liste der Bundesärztekammer führt bislang nur 353 Meldestellen, wo ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird. Die Liste ist somit mehr als zwei Jahre nach der Reform noch immer äußerst unvollständig. Viele Ärzt:innen lassen sich unter anderem auf Grund eines befürchteten Ansehensverlustes in der Region, oder weil Abbrüche nur bei eigenen Patientinnen durchgeführt werden oder auch aus Gefahr vor Angriffen und Drohungen durch Gegner:innen von Schwangerschaftsabbrüchen nicht auf die Liste setzen. Diese Liste sollte künftig auch nicht schwer auffindbar sein.
Wir stellen fest, dass die grundlegenden Mängel des § 219 a StGB auch durch die Reform nicht behoben werden konnten. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit wird zu sehr eingeschränkt. Ärzt:innen ist es nach wie vor nicht möglich, auf ihren Homepages adäquat über diese wichtigen Leistungen im Rahmen der Frauengesundheit zu informieren. Damit ist das Recht der Ärzt:innen zur Information ihrer Patientinnen erheblich eingeschränkt. Frauen müssen zusätzliche Informationen telefonisch oder auf anderem Wege einholen und riskieren Zeitverluste bis zur Durchführung des Abbruchs.
Festzuhalten ist also:
- § 219a StGB kriminalisiert Ärzt:innen, u.a. auch weil die Gegner:innen reproduktiver
Selbstbestimmung den Paragraphen systematisch nutzen, um Ärzt:innen anzuzeigen, die auf ihren
Webseiten Informationen zur Verfügung stellen.
- § 219a StGB schüchtert Ärzt:innen ein, weil sie befürchten müssen, auf Internetseiten an den
Pranger gestellt zu werden. Die Angst der Ärzt:innen vor negativer Öffentlichkeit führt dazu, dass sie
unbekannt bleiben oder selbst Beratungsstellen nicht über die angebotene Dienstleistung
informiert sind.
- § 219a StGB trägt zur Verschlechterung des Zugangs zu gynäkologischen Angeboten bei, weil durch
die Stigmatisierung immer weniger Ärzt:innen bereit sind, unter diesen Bedingungen Abbrüche
durchzuführen.
Erforderlich ist daher die Streichung des § 219 a aus dem Strafgesetzbuch. Dieser ist nicht mehr zeitgemäß. Das Recht von Frauen auf reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung muss gewahrt werden. Wir wollen daher einen freien und einfachen Zugang zu sachlichen medizinischen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche gewährleisten. Gerade bei einer ungewollten Schwangerschaft müssen schon früh Informationen für die Betroffene bereitstehen, um selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können. Paragraph 219a StGB schränkt Frauen nach wie vor zu stark in diesem Recht ein und führt zu nicht nachvollziehbaren Verurteilungen von Ärzt:innen."

Leider war es aufgrund von Widerständen unseres Koalitionspartners nicht möglich, unsere SPD-Position zu verabschieden. Dafür werden wir uns nach der Bundestagswahl mit den dann hoffentlich vorhandenen Mehrheiten erneut einsetzen.

Eine Trennung der Abstimmung nach dem Geschlecht der Abgeordneten halte ich nicht für zielführend. Zum einen, weil sich wie im Falle unseres derzeitigen Koalitionspartners auch weibliche Abgeordnete gegen die Neuregelung ausgesprochen haben. Zum anderen haben auch meine männlichen Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion für die Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch gestimmt. Und ganz grundsätzlich gilt natürlich das Repräsentationsprinzip, wonach die jeweiligen Bundestagsabgeordneten die Interessen ihrer weiblichen und männlichen Wähler vertreten. Ein Ausschluss von männlichen Abgeordneten von der Abstimmung würde also die Nichtberücksichtigung der weiblichen Wählerstimmen dieses Abgeordneten bedeuten. Auch rechtlich ist eine Trennung von Abstimmungen nach Geschlechtszugehörigkeit nicht möglich und wäre zudem nicht mit den Zielen einer diskriminierungsfreien Gleichstellungspolitik vereinbar.

Ich verstehe aber den Wunsch hinter Ihrem Vorschlag, dass es nach den einschlägigen Erfahrungen der letzten Zeit zu einer Neuregelung im Sinne des Rechts jeder Frau auf reproduktiven Selbstbestimmung und die Bereitstellung diesbezüglicher Informationen kommen muss. Dazu möchte ich Ihnen abschließend versichern, dass ich mich dafür persönlich und zusammen mit der SPD-Bundestagsfraktion mit aller Kraft einsetzen werde.

Mit freundlichem Gruß
Yasmin Fahimi