Frage an Yasmin Fahimi von Nicole K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Fahimi,
am 19.05.2021 soll über das sog. Selbstbestimmungsgesetz abgestimmt werden. Die von Grünen und FDP vorlegten Entwürfe sehen vor, dass Menschen ihr Geschlecht via Sprechakt selbst bestimmen dürfen. Nach dem Selbstbestimmungsgesetz ist eine chirurgische und hormonelle Geschlechtsanpassung nicht mehr notwendig - ein Mann darf wie ein Mann aussehen und trotzdem den Status „Frau“ in den Personalausweis eintragen lassen.
Beide Gesetzesentwürfe untersagen das Hinterfragen des selbstgewählten Geschlechts, was dazu führt, dass in Notsituationen Sicherheitskräfte, wie z.B. Bademeister einen für jeden erkennbaren Mann nicht des Umkleideraums verweisen darf, wenn dieser dort eindringt. Wie viele Frauen und Mädchen werden in Großstädten künftig auf den Besuch eines Schwimmbads oder eines Sportvereins verzichten, wenn sie sich nicht vor männlichen Jugendlichen und Männern geschützt fühlen? Wie viele Mädchen werden künftig nicht ohne Begleitung auf eine Toilette gehen können, wenn Männer und männliche Jugendliche, die sich als "Frau" definieren, eine Frauentoilette betreten dürfen?
Die räumliche Geschlechtertrennung, wie in Umkleideräumen, Frauenhäusern, Frauengefängnissen, Frauenpsychiatrien, wurde für Frauen und Mädchen zum Schutz vor Voyeurismus, Exhibitionismus und psychischen und sexuellen Übergriffen geschaffen. Diese Schutzräumen wären keine mehr, wenn jeder, lt. Entwürfen 1x pro Jahr ohne jegliche Überprüfung der Motive (!), sein Geschlecht selbst bestimmen dürfte. Es wird nicht einmal ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt, so dass kriminelle Personen jederzeit ihren Geschlechtsstatus ändern könnten - z.B. während eines Prozesses wg. Vergewaltigung, um im Anschluss einer Verurteilung als Vergewaltiger in ein Frauengefängnis verlegt zu werden.
Werde Sie helfen, dass Frauen und Mädchen den räumlichen Schutz vor Männern und männlichen Jugendlichen behalten? Werden Sie gegen das Selbstbestimmungsgesetz stimmen?
Sehr geehrte Frau Kampl,
für die SPD-Bundestagsfraktion steht fest, dass die Grundlage einer Reform des Selbstbestimmungsgesetzes das Prinzip der Anerkennung der Geschlechtsidentität und der Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung sein muss. Wir wollen die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern, das betrifft medizinische, gesundheitliche, soziale und rechtliche Aspekte. Verfahren müssen so gestaltet werden, dass die Würde und die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen.
Wir haben zu den Entwürfen der Opposition im November letzten Jahres eine Öffentliche Anhörung im Innenausschuss durchgeführt, welche unsere Auffassung bestätigt hat. Ein Gegeneinander-Ausspielen von verschiedenen Gruppen ist gefährlich. Menschenrechte gelten nicht nur aufgrund eines biologischen Geschlechts. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen Frauenförder- bzw. -schutzmaßnahmen und einem Selbstbestimmungsrecht für transgeschlechtliche Personen, ist aus unserer Sicht klar zu verneinen. Dazu möchte ich auf zwei Aussagen der von uns benannten Sachverständigen in der Anhörung, Frau Prof. Lembke, besonders hinweisen und mich zugleich anschließen:
1. Die Verpflichtung des Staates aus Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, wird durch das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung nicht relativiert.
2. Der Gesetzgeber muss sowohl die Diskriminierung von Frauen auf Grund ihres Geschlechts als auch die Diskriminierung von Trans*, Inter* und non-binären Personen auf Grund ihres Geschlechts effektiv beseitigen und verhindern. Der Schutz vor Diskriminierung auf Grund von Abweichungen von der Heteronorm darf dabei nicht auf Kosten des Schutzes von Frauen vor Benachteiligung und Gewalt innerhalb der Logik binärer Geschlechterverhältnisse gehen und umgekehrt. Das ist eine große Herausforderung an uns Parlamentarier, der wir uns stellen werden.
Mit freundlichem Gruß
Yasmin Fahimi