Frage an Wolfgang Zöller von Jan-Christian B. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Zöller,
seit geraumer Zeit verfolge ich mit großem Interesse die aktuelle Diskussion zum Thema "Kennzeichnung von Lebensmitteln". Um mir meine eigene Meinung bilden zu können habe ich via Internet viel auf englischen Verbraucherschutzseiten gelesen und einige Bekannte in England befragt.
Meiner Meinung nach ist die britische "Ampel" die momentan beste Lösung für dieses Problem. Sie ist offensichtlich sehr leicht verständlich und bildet sowohl beim Kauf der Ware, als auch beim Zubereiten einen wichtigen Bestandteil zur gesunden Ernährung. Gerade Kinder und Jugendliche, die in Kindergarten und Schule auf gesundes Essen getrimmt werden tun sich mit der Ampel-Kennzeichnung sehr leicht und wissen bereits nach kurzer Zeit "gute" von "weniger guten" Nahrungsmitteln zu unterscheiden - ohne deren biologische und/oder chemische Zusammensetzung verstehen zu müssen.
Umso erstaunter bin ich vom momentanen Trend der Regierung. Da wird wieder einmal auf eine freiwillige Kennzeichnung durch die Industrie gesetzt, obwohl deren Ziel die Gewinnmaximierung und nicht der Verbraucherschutz ist. Ihr Parteikollege Horst Seehofer macht sehr deutlich, daß er nichts von der Ampel hält, obwohl es ein riesiger Schritt für den Verbraucherschutz wäre.
Wie stehen Sie persönlich zu dieser Diskussion, bzw. zur britischen Ampel und warum hört man von Ihnen als ausgewiesenem Gesundheitsexperten nichts in der aktuellen Debatte?
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Christian Battenfeld
TSehr geehrter Herr Battenfeld,
vielen Dank für Ihre E-Mail, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.
Mit dem Thema Kennzeichnung von Lebensmitteln sprechen Sie eine Thema an, das zur Zeit, nicht nur in Deutschland, kontrovers diskutiert wird.
Dabei gebe ich Ihnen Recht, dass eine Kennzeichnung nach dem in Großbritannien eingeführten "Ampelsystem" auf den ersten Blick eine sinnvolle, leicht verständliche und übersichtliche Möglichkeit der Lebensmittelkennzeichnung darzustellen scheint. Beschäftigt man sich jedoch intensiver mit der Problematik, so basiert die Ampeleinteilung der Lebensmittel in den Augen vieler Kritiker auf einer zu stark vereinfachten Einteilung der Lebensmittel in "gute" und "schlechte" Lebensmittel. Eine solche undifferenzierte Betrachtung muss aber zwangsläufig dazu führen, dass schließlich beispielsweise viele Obstsorten und Fruchtsäfte auch ohne Zusätze aufgrund ihres natürlichen Fruchtzuckergehaltes (der im Übrigen nicht "gesünder" als Kristallzucker ist) zu den schlechten Lebensmitteln mit einer roten Ampelkennzeichnung markiert werden müssten, wohingegen zum Beispiel Cola light (mit 1 Kalorie) eine grüne Ampel bekäme.
Vor diesem Hintergrund ist die Pauschalbewertung einzelner Lebensmittel auch bei unabhängigen Ernährungsexperten umstritten. Wenn man sich einen Schokoriegel gönnt, ernährt man sich ja nicht gleich schlecht. Bei der Ernährung kommt es in erster Linie auf eine ausgewogene, abwechslungsreiche und am persönlichen Energiebedarf ausgerichteten Nährstoffzufuhr an.
Bereits heute gibt es mit der Lebensmittelpyramide der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und dem aid-Ernährungsführerschein gute Konzepte, die insbesondere Kindern den Zugang zu dieser wichtigen Thematik erleichtern und auf gut nachvollziehbaren Portionenmodellen beruhen.
Ein weiteres gutes Beispiel ist das Projekt "aid-Ernährungsführerschein für Grundschüler", das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes Ernährung gefördert wird. Hierbei werden ab dem Schuljahr 2007/2008 qualifizierte Fachfrauen mit hauswirtschaftlicher Ausbildung und Erfahrung in Schulen die Lehrer bei der Umsetzung des aid-Ernährungsführerscheins in den 3. Grundschulklassen unterstützen.
Der aid-Ernährungsführerschein wurde vom aid infodienst initiiert und entwickelt und gemeinsam mit Lehrkräften für die Umsetzung in den dritten Grundschulklassen erprobt. Er umfasst 6-7 Unterrichtsdoppelstunden, die vom Lehrer selbständig, auch ohne Schulküche, durchgeführt werden können. Das Projekt endet mit einer Abschlussprüfung und der "Führerscheinübergabe".
Darüber hinaus wird auch eine verpflichtende Lebensmittelkennzeichnung in Deutschland diskutiert, die keine Pauschalierung, sondern detaillierte Informationen enthalten soll. Vor neuen gesetzlichen Regelungen, nach denen in Deutschland immer allzu schnell gerufen wird, und die zusätzlichen Aufwand, Bürokratie und Kosten für die Kontrolle verursachen, sollte aber eine freiwillige Lösung angestrebt werden. Diesen Weg geht übrigens auch Großbritannien zur Zeit.
Nicht zuletzt durch den von der Bundesregierung kürzlich vorgestellten "Aktionsplan Ernährung und Bewegung" kommt nun auch Bewegung in die Sache. Inzwischen haben sich mehrere große Hersteller zusammengeschlossen und das System des Europäischen Lebensmittelverbandes übernommen. Danach sollen schon bald zahlreiche Produkte genaue Angaben (auf der Produktvorderseite) über Kalorien, Eiweiß, Fett und Kohlenhydratanteile machen. Zusätzlich wird der prozentuale Anteil an der empfohlenen Tageszufuhr (GDA) ausgewiesen. Genau diese Informationen einer nachvollziehbaren Nährwertkennzeichnung, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen schnellen und objektiven Überblick über die wichtigsten Inhaltsstoffe bieten, wären auch Inhalt einer gesetzlichen Regelung. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist im Übrigen der Auffassung, dass der eigenverantwortlich Handelnde Verbraucher nicht auf ideologische Steuerung, sondern auf neutrale Information angewiesen ist. Auf dieses Informationsbedürfnis reagiert die Nährwertkennzeichnung. Es sollte gleichzeitig auch den Lebensmittelproduzenten zugestanden werden, innerhalb einer gewissen Frist ihre Produkte dementsprechend zu kennzeichnen. Sollte sich dieses positive Beispiel nicht durchsetzen, wird sich die Regierung allerdings auch nicht scheuen, ein entsprechende Kennzeichnung verpflichtend einzuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Zöller, MdB