Frage an Wolfgang Wodarg von Heike H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Wodarg,
Sie stimmen mir sicher zu, wenn ich behaupte "unsere Gesundheit ist das am meisten zu schützende Gut"?
Diesen Satz fand ich als Einstieg in mein Problem einen guten Start.
Ich habe in München Freunde. Meine Freunde haben das eigentliche Problem, denn sie haben einen Sohn mit der sog. Mondscheinkrankheit ( lat. Xeroderma Pigmentosum). Es ist ein Gendefekt und die Symptome sind, dass dieser Junge und noch weitere 50 andere Patienten UV-Licht (also Sonnenstrahlen) meiden müssen. D.h. diese Patienten dürfen nicht an das Tageslicht. Sie können nur in Ausnahmefällen mit Schutz (UV-Schutzkleidung, UV-Sonnenschutzcreme usw.) am normalen Leben teilhaben. Nun haben wir Probleme mit den gesetzlichen Krankenkassen, denn diese Krankheit steht anscheinend in keinem Krankheitskatalog und wird somit in keinster Weise finanziell aufgefangen. Also man bekommt keine Sonnenschutzcreme, keine UV-Schutzkleidung einfach gar nichts. Keiner fühlt sich zuständig, alles wird hin- und hergeschoben. Letzendlich müssen die Patienten dafür selber aufkommen. Das Resultat von "in die Sonne gehen" ist der Hautkrebs. Und falls dieser wieder mal aufgetreten ist, wird die OP bezahlt von der Krankenkasse. Es leuchtet mir einfach nicht ein, warum diese OP´s bezahlt werden, die viel teurer sind, als die Sonnenschutzcreme sozusagen als Verhütung. Wenn ich als Frau zum Frauenarzt gehe, bekomme ich doch auch meine Vorsorge bezahlt. Warum geht das hier nicht? Und wir reden nicht von einer OP in 5 Jahren, sondern wir reden von min. 5 OP´s in einem Jahr. Abgesehen davon dass es den "Mondscheinkindern" auch seelisch sehr schlecht geht, weil sie kaum Kontakt zur Außenwelt haben können, werden sie auch noch sooooo im Stich gelassen. In meinem Bundesland (NRW) gibt es 7 Patienten und ich kämpfe und kämpfe. Ich habe eine Petition geschrieben und sie ist noch in Bearbeitung. Aber die Sonne scheint und dieses Jahr ist schon ein Mondscheinkind verstorben.
Gruß, Heike Harrison
Sehr geehrte Frau Harrison,
den Problembereich den Sie schildern, das Phänomen, dass für Krankheiten unter denen nur eine relativ geringe Anzahl von Menschen leiden, aufgrund mangelnder finanzieller Gewinnerwartungen von Unternehmen, kaum Grundlagen- und pharmazeutische Forschung und Innovationen im Hilfsmittelbereich betrieben wird, ist leider bisher auch meines Erachtens aus politischer Sicht nicht befriedigend gelöst.
Seltene Krankheiten sind lebensbedrohende oder eine chronische Invalidität nach sich ziehende Krankheiten mit geringer Prävalenz und hohem Komplexitätsgrad. Die meisten dieser Krankheiten sind genetisch bedingt, wie auch im Falle der von Ihnen fokussierten Monscheinkrankheit. Seltene Krankheiten erfordern eine umfassende Herangehensweise auf der Grundlage spezieller Bemühungen von Politik zur Vermeidung einer signifikanten Morbidität oder vermeidbaren vorzeitigen Mortalität und Verbesserung der Lebensqualität oder des sozioökonomischen Potenzials von betroffenen Personen. Diesbezüglich darf ich Ihnen ein wenig Hoffnung machen, dass der Bereich mehr und mehr an politischer Aufmerksamkeit erlangt. So hat die EU das Thema aufgegriffen und nach jetzigem Planungsstand wird im November 2008 eine "europäische Aktion im Bereich seltener Krankheiten" in Form einer Mitteilung verbunden mit einem Vorschlag einer Empfehlung des Rates vorgelegt werden.
Diese Information kann Ihnen aber nicht kurzfristig in Ihrem speziellen Bereich helfen. Das Probleme der gesundheitsbedingten Mehrausgaben, ist auch bei anderen Krankheitsbildern gegeben, wie z.B. diverse Hauterkrankungen die nur mit besonderen Pflegeprodukten eingedämmt werden können, ohne das die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden. Dies ist der Fall, da die auch von Ihnen genannten Produkte (Sonnenschutzcreme und Sonnenschutzkleidung) weder Arzneimittel sind, noch bisher als sogenannte Hilfsmittel anerkannt sind.
Für die Mondscheinerkrankung drängt sich der Bedarf für besondere Schutzkleidung im Vergleich zu protetischen Hilfsmitteln meines Erachtens auf. Da aber meiner Kenntnis nach bisher keine Hersteller besondere Sonnenschutzkleidung für Mondscheinerkrankte entwickelte haben, wird es nicht leicht sein, eine Aufnahme in das durch die Spitzenverbände der Krankenkassen erstellte Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) und in die Hilfsmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V) zu erwirken. Dennoch wäre dieser Weg für die Betroffenen sicher segensreich. Leider bin ich hierfür die falsche Ansprechsperson, da die Politik die diesbezügliche Entscheidung auf die genannten Selbstverwaltungsträger delegiert hat.
Dennoch ist Ihr Eindruck nicht richtig, dass Patienten generell für finanzielle Mehrkosten, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden, keinerlei ausgleichende staatliche Unterstützung erhalten. Für Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung als Schwerbehindert anerkannt sind - bei der Mondscheinerkrankung gehe ich davon aus, dass die Mehrzahl der Betroffenen diese Anerkennung erhalten müßten -, wird ein Mehrbedarf im Sozialversicherungssystem in der Regel ausgeglichen. Für ALG II Empfänger, die diese Anerkennung nicht besitzen, wird der Mehrbedarf zur Zeit leider nicht bezahlt. Früher gab es diesbezüglich einen Sonderbedarf bei Sozialhilfeempfängern, der so nicht mehr gesetzlich vorgesehen ist. Die momentane gesetzliche Regelung (§ 23 SGB II) sieht die Gewährung eines etwaigen Mehrbedarf nur noch darlehensweise vor.
Jedoch tut sich hier etwas in der Rechtsprechung und hoffentlich auch bald auf der politischen Bühne. So wird in der SPD seit längerem diskutiert und von vielen Genossen (wie auch von mir) gefordert, den krankheitsbedingten Mehrbedarf beim Arbeitslosengeld II wieder einzuführen. Zudem sind die Gerichte zur Zeit mit der Frage konfrontiert, ob in Fällen einer dauerhaften atypischen Bedarfslage bei krankheitsbedingten Mehrausgaben, die nicht durch die Krankenversicherung abgedeckt werden, die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II abzulehnen und aus Gründen der verfassungsrechtlich garantierten Mindestversorgung ein Anspruch auf eine Zusatzleistung besteht. Es bleibt abzuwarten, wie die Sozialgerichte hier entscheiden werden.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen und wünsche Ihnen bei Ihrem Einsatz für die von der Mondscheinerkrankung betroffenen Menschen viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Wodarg