Frage an Wolfgang Wodarg von Andreas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wodarg,
ich habe einige Fragen zum EU-Vertrag von Lissabon und beziehe mich auf die konsolidierte Fassung lt. http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/st06655.de08.pdf.
Eines der herausragenden Ziele dieses Vertragswerkes ist "das Zusammenwachsen" Europas (das ich sehr begrüße!), was auch in einer Gemeinsamen Außen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP) Ausdruck finden soll. Mich verunsichert die Tatsache, dass im Titel V Abschnitt 2 des Vertragstextes, der mit "Bestimmungen über die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (Art. 42 bis Art. 46) das Europäische Parlament mit keinem Wort Erwähnung findet. Soll denn die GASP ohne jegliche demokratische Legitimation und Kontrolle stattfinden? Ich finde nur Hinweise auf den Rat und den Europäischen Rat (beide wurzeln aus Exekutiv-Organen der Mitgliedsstaaten), sowie auf den "Hohen Vertreter" und schließlich die Europäische Verteidigungsagentur. Letztere soll nach Art. 42 Abs. 3 an der Festlegung "einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung" beteiligt werden. Wie soll diese Agentur personell besetzt werden und welche demokratische Legitimation wird sie haben? Welcher demokratischer Kontrolle und Grenzsetzung unterliegt sie?
Warum sollen sich die Mitgliedsstaaten verpflichten, "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (ebd.)? Sollen denn die politischen Herausforderungen der Zukunft bevorzugt mit Gewalt und Aufrüstung gemeistert werden? Wie stehen Sie als Arzt und Sozialdemokrat hierzu?
Ich halte dieses Vertragswerk für sehr überarbeitungsbedürftig und wünsche mir ein europaweites demokratisches Referendum hierzu! Und Sie?
Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen!
Mit besten Grüßen,
Andreas Beck
Sehr geehrter Herr Beck,
Die eingeschränkte Anhörungs- und Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments in der GASP ist dem Umstand geschuldet, dass die Kompetenz in diesen Bereichen intergouvernmental organisiert ist und somit maßgeblich bei den Mitgliedstaaten verbleibt. Dadurch ist die Legitimation durch das nationale Parlament gefragt, in Deutschland durch den Deutschen Bundestag. Der deutsche Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr, auch im Rahmen von EU-Operationen, wird nicht angetastet.
In dem Vertrag von Lissabon geht es auch darum, Konflikte aktiv und mit nicht-militärischen Mitteln vorzubeugen. Die EU wird mit Inkfrafttreten des Vertrags eine Zivilmacht bleiben. Die Europäische Verteidigunsagentur (EVA) wurde zwar eingerichtet, um die militärischen Kapazitäten der Mitgliedschaftten bei dem eklatanten Ungleichgewicht zu verbessern. Gleichzeitig soll sie aber zur quantitativen Abrüstung beitragen. Die EU-Mitgliedstaaten und somit auch die EU verstehen Sicherheit umfassend und zuerst nicht-militärisch. Sicherheitspolitik wird nicht allein militärisch verstanden. Die Bekämpfung von Armut und sozialer Unsicherheit gehören auch zur Durchführung einer erfolgreichen Sicherheitspolitik.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Wolfgang Wodarg