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Frage von Oliver L. •

Frage an Wolfgang Wodarg von Oliver L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Wodarg,

vielen Dank für Ihre sehr ausführliche und kenntnisreiche Antwort. Ich kann leider nur ebenso ausführlich antworten, bitte also um etwas Geduld. Sie analysieren die allgemeine Lage und sprechen viele wichtige Detailprobleme und bieten individuelle Lösungen dafür an.

Ihre Antwort trifft aber nicht den Kern meiner Frage.

Wenn wir Deutschland kurz mal als einen zu kurierenden Patienten ansehen, dann bekämpfen Ihre Einzelmaßnahmen viele der Nebensymptome, aber nicht die (gemeinsame) Ursache der (weltweiten) Krankheit.

Daher will ich versuchen, die Frage nach ein paar Vorbemerkungen noch einmal anders, sehr vereinfacht und pointiert (weiter unten) zu stellen:

(1) Beispiel:
Da haben wir auf der einen Seite den normalen Bürger, einen Angestellten oder Arbeiter, eine Krankenschwester oder eine Verkäuferin, einen kleinen Händler oder einen Maurer, der einen ganzen Monat lang (8-10 Stunden oder mehr) arbeiten muß um, sagen wir, 1300€ netto unter Schweiß, Anstrengung und Mühe zu erarbeiten.

Dann haben wir auf der anderen Seite irgendeine wohlhabende Person. Nehmen wir beispielsweise Frau Johanna Quandt (Vermögen 5.3 Mrd. Euro, laut forbes.com). Die Auswahl ist rein willkürlich, wir könnten auch jeden anderen der über 3 Mio. sehr reichen Deutschen nehmen.

Diese Personen verdienen im Monat nicht nur 1300€ sondern ein Vielfaches davon. Aber nicht durch Mühe, Schweiß und Anstrengung, sondern einfach durch die geltenden Regeln des Geldverkehrs. Das Geld fällt nach Ablauf einer Zeitspanne ohne ihr zutun (beispielsweise in Form von Zinsen) einfach vom Himmel. Es gibt keinen realen Wachstumsvorgang der dem zugrunde liegen würde. Es geschieht einfach nur durch menschliche Absprache im Geldverkehr.

Simpel gesagt: Der "Arme" muß sein Geld für den täglichen Bedarf verbrauchen, und kann nichts oder fast nicht zurücklegen zum wachsenlassen. Der "Reiche" dagegen hat soviel, dass er immer einen größeren Betrag just zu dem Zweck auf der Bank oder an der Börse haben kann, damit er sich für ihn vermehrt. Das Geld wird gar nicht benötigt: Es hat nur die Funktion möglichst optimal zu wachsen. Damit wächst die Schere zwischen arm und reich unaufhaltsam weiter.

(2) Die Frage:
Hier liegt das eigentliche Problem aller führenden und die (soziale) Marktwirtschaft betreibenden Industrienationen wie USA, Deutschland, ... Die unbeschränkte Wachstumsmöglichkeit für Geld ohne einen korrespondierenden Wachstumsvorgang in der realen Welt!

Ganz platt gesagt: Der Sozialismus ist gescheitert, weil die Menschen zu faul sind. Die Marktwirtschaft ist gerade dabei weltweit zu scheitern, weil die Menschen zu gierig sind. Was wir brauchen ist also ein System, was einerseits genügend Anreize bietet, dass der Mensch seine Faulheit überwindet und produktiv ist, ihn aber andererseits daran hindert Opfer seiner Gier zu werden, sondern ihm Grenzen setzt, so dass er angeleitet wird, sie nur in sozialverträglichem Maß auszuleben.

Die (eigentlich ganz einfache) Frage war nun: Wie sehen die Pläne der SPD aus, die Schere zwischen arm und reich aktiv und wirksam zu schließen?

Das kann man auch ganz pointiert (und dann natürlich beliebig unpopulär) so formulieren: Wie nehme ich den "sehr Reichen" das Geld ab und gebe es den "Armen", so dass sich nach einer Übergangsphase alle Privat- und Unternehmensvermögen in einem sozial verträglichen Bereich mit Unter- und Obergrenze befinden und welche Regeln stelle ich auf, damit dieser Zustand im Gleichgewicht auch so bleibt ?

(3) Anmerkungen:
Das wir hier ganz deutlich werden: Ich will keine sog. "Neiddebatte" führen. Leistung soll sich lohnen und wer mehr leistet soll auch entsprechend seiner Mehrleistung entlohnt werden. Jeder kann soviel Kohle machen wie er will! Das ist solange völlig in Ordnung, wie dabei der Gesellschaft als Ganzes kein Schaden entsteht.

Der Schaden entsteht aber genau dann, wenn der Abstand zwischen arm und reich zu groß wird oder Privatvermögen in die Größenordnung von Staatshaushalten kommen, weil die Macht- und Einflußkonzentration zu hoch wird: Politiker sind dann nicht mehr in der Lage gesellschaftliche Interessen gegen Interessen der Wirtschaft wirksam durchzusetzen.

Mit anderen Worten wir haben die Situation, dass die Auswirkungen des derzeit herrschenden Geldsystems/Marktwirtschaft nicht zielführend für die von den meisten Menschen gewünschten Gesellschaft sind.

Sie haben recht: Wir brauchen eine größere Binnennachfrage. Aber dazu müssen die Realverdienste der Menschen erheblich steigen. Wir haben dazu auch genug Geld in Deutschland (Anfang 2005 überschritt das Gesamtvermögen der Deutschen die 4000 Millardenmarke!), aber es ist nicht gleichmäßig verteilt.

Schauen Sie sich mal an, wie sich das Gesamtvermögen der Deutschen im Vergleich zu den 100 reichsten Deutschen seit 1945 entwickelt hat. Die bereits jetzt schon erreichte Vermögenskonzentration ist erschreckend (und letztlich irgendwann gefährlich für die Demokratie).

Genau hier setzen die (zugegeben recht einfachen) Vorschläge der Linken an. Sicher nicht in ausreichendem Maße, aber an der richtigen Stelle! Es ist ein erster Schritt dem Staat Geld zuzuführen von all denen, die auf einem ständig ohne ihr Zutun (also im wahrsten Sinne des Wortes unverdient) wachsenden Vermögen sitzen.
Und mal ehrlich: Würde es Frau Quandt wirklich objektiv schlechter gehen, wenn sie statt 5.3 Mrd. nur 50 Mio. besäße? Sie würde immer noch mehr haben, als sie jemals für ein wirklich überdurchschnittlich gutes Leben benötigt.

Sich Reichtum zu verschaffen sollte weiter mögliches Ziel persönlicher Lebensplanung bleiben können, das ist wichtig! Es sollte aber nach oben von den Staaten auf ein sozial verträgliches Maß begrenzt werden, sonst ist eine lebenswerte, gerechte und menschliche Gesellschaft für Alle nicht möglich.

Mit freundlichen Grüßen,
Oliver Ludwig

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Antwort von
dieBasis

Sehr geehrter Herr Ludwig,

Ihren Analysen, Ihren Sorgen und auch Ihren Zielvorstellungen kann ich mich sehr gut anschließen.

Angesichts der von Ihnen problematisierten Möglichkeiten der Frau Quandt ihr Geld weltweit einzusetzen und angesichts der Notwendigkeit, dass zumindest Teile dieses Geldes in Deutschland investiert werden sollten um hier neue Arbeitsplätze zu schaffen, wird eine Antwort auf Ihre „Frage aller Fragen“ natürlich sehr komplex ausfallen müssen. Da es sich ja hoffentlich nicht nur um eine rhetorische Frage handelt, muss ich zuerst zwei Dinge voraussetzen: 1) Sie kennen das Wahlmanifest meiner Partei (www.spd.de) 2) Sie wissen um unsere bisherigen Versuche, die Quandts und andere in die Pflicht zu nehmen und die Schwierigkeiten, die es bei der WTO, der EU (Steuer-Harmonisierung) und im Bundesrat zu überwinden gilt.

Die Länder und Kommunen leiden unter dem von Ihnen dargstellten Verhältnissen genau wie der Bund und viele europäische Staaten. Wir Bundespolitiker müssen diese gemeinsamen Interessen in den Vordergrund rücken, öffentlich thematisieren und die nötigen Mehrheiten auf allen politischen Ebenen organisieren, um solidarische Teilhabe am wachsenden Reichtum sicherzustellen: Tobin Steuer, EU Strategie gegen Steuer-Dumping, Luxus- und Vermögenssteuer, dieses sind alles nur dann Erfolg versprechende Maßnahmen, wenn es gelingt, die großen Schlupflöcher für Frau Quandt und andere von außen und von innen abzudichten. Das will die SPD im Inneren wie in der Außen- und Europapolitik und dafür brauchen wir Bündnisse und schließlich: Mehrheiten!

Ich bin zuversichtlich, dass die neoliberale Denkweise, die meines Erachtens verantwortlich ist für den systemischen Irrsinn, den Sie in Ihrer Anfrage beschreiben, sich so wenig durchsetzen wird, wie die verantwortungslosen Versprechungen der Linkspartei. Wir brauchen weder blinde Anhänger des bestehenden Systems, noch moderne Raubritter. Dazu sind die Probleme unserer Zeit zu kompliziert. Wir brauchen Strukturen, die die Menschen in die Lage versetzen, Ihren Lebensunterhalt möglichst aus eigener Kraft zu verdienen. Wir brauchen Existenz sichernde Löhne, keine Dauersubventionen, von denen auch wieder extreme Mitnahmeeffekte seitens der Unternehmer zu erwarten sind. Gefragt sind neue Ideen und neue Konzepte, die das Erfordernis von Sicherheit und Flexibilität am Arbeitsmarkt vermitteln.

Es ist wichtig, dass wir gemeinsam nach einem neuen, tragfähigen Konsens in der Wirtschafts- uns Sozialpolitik suchen und begrüße darum ausdrücklich, dass Menschen gegen die Entwertung ihrer Arbeit angesichts von unverdient hohen Gewinnen aus Kapitalgeschäften und gegen die daraus resultierende soziale Schieflage aufbegehren. Wer aber aus Protest die Linkspartei wählt, muss sich darüber klar sein, dass er sich damit womöglich eine schwarz-gelbe Regierung einhandelt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang Wodarg, MdB